Reportage über (un)gewollte Flächenbrände an der italienischen Cilentoküste

Reichelsheim-Castellabate/Kampanien - Noch während ich mich am ersten Tag unseres Urlaubs 2011 beim Auspacken darüber amüsiere, dass meine Frau aus Versehen eines meiner Feuerwehr-Poloshirts eingepackt hat, ahne ich nicht, dass ich es zwei Tage später bereits tragen werde. Als wir nach einem Ausflug heimkehren, stehen große Flächen rund um unser Ferienhaus in Flammen …

Wir sind zu Gast an der italienischen Cilentoküste, etwa 50 Kilometer südlich der Hafenstadt Salerno. Wir wohnen etwa 300 Meter über dem Meer in einer Ferienwohnung zwischen den Örtchen Castellabate und Perdifumo. Als wir ankommen, weht ein kräftiger Wind aus dem Landesinneren. Die Italiener, so auch unser Freund Gino und seine Frau Bruna, bezeichnen jeden warmen Wind als "Scirocco" - auch wenn es eigentlich keiner ist.

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Castellabate liegt ca 90 km südlich von Neapel an der Westküste Italiens. Nördlich davon liegt die bekannte
Insel Capri und die nicht weniger bekannte Amalfiküste (Karte © OpenStreetMap und Mitwirkende, CC-BY-SA,
Bearbeitung: A.Hitz).


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Die Cilentoküste bei Castellabate. Eine der landschaftlich schönsten Regionen in Italien.


Am dritten Tag machen wir einen Ausflug entlang der Cilentoküste in Richtung Süden. Als wir Ascea näher kommen, werden wir von einem lautstarken Dröhnen erschreckt. Das kommt mir bekannt vor! Ein Blick nach rechts aus dem Auto bestätigt meine Vermutung: Eine Canadair CL-415 hat uns aus dem Landesinneren kommend überflogen, dreht eine Schleife über dem Meer und setzt zur Wasseraufnahme an. Es ist ein Erlebnis: Wir parken in Marina di Casal Velino, setzen uns auf einen Espresso in eine Strandbar und beobachten die Maschine. Wieder setzt sie zur Wasseraufnahme an und kommt direkt auf uns zu. Kurz vor dem Strand hebt sie schwermütig aber kraftvoll ab - zwei Pratt & Whitney Propellerturbinen mit je 2.380 PS bringen volle Leistung – ein unverkennbarer Sound. Mit etwa 6.000 Litern Meerwasser an Bord fliegt sie an einen Berghang bei Acquavella um es dort über einem Waldbrand abzuwerfen. Eine riesige graue Rauchsäule wirft bereits einen Schatten über den Strand und lässt alles gelblich erscheinen. Immer wieder kommt die Maschine zurück.

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Canadair CL-415 beim „Wasserfassen“ im Mittelmeer an der italienischen Cilentoküste.


Wir fahren weiter. Als wir gegen Spätnachmittag von unserem Ausflug zum Capo Palinuro über die Superstrada 18 zurück fahren, sehen wir überall Rauch und Feuer entlang der Straße. Besonders schlimm ist es südlich von Agropoli. Hier fahren wir ab in Richtung Castellabate. Das Feuer hat aufgrund des starken Windes bereits zwei Berghänge überrannt. Ein größeres Mehrfamilienhaus ist Opfer der Flammen geworden, erzählen einige Italiener. Sie stehen auf einer Talbrücke, beobachten das Feuer und sorgen für einen kleinen Stau. Das Feuer wurde durch den starken Nordostwind extrem angefacht und breitet sich rasend schnell in Richtung Castellabate aus. Kein Wunder, im Cilento hatte es seit mehr als drei Monaten nicht mehr geregnet, die Vegetation ist verdorrt.

Als wir die Straße auf dem Bergrücken erreichen, auf dem auch Ginos Haus steht, sehen wir das ganze Unheil: Auch das Tal südlich von uns steht ebenfalls in Flammen. Bis an Ginos Haus war das Feuer bereits von einer Seite herangekommen. Die Straße und der Gegenwind verhinderten das Übergreifen auf Bäume und Büsche des  Anwesens. Aber von einer anderen Seite, weiter östlich des Hanges, kommt auch ein Feuer den Berg herauf. Unterhalb von uns, auf der Straße nach Perdifumo, steht ein Tanklöschfahrzeug der "Vigili del Fuoco", wie die Feuerwehr in Italien genannt wird. Das Klappern von Gasflaschen ist zu hören. Gerade sind einige wenige Feuerwehrmänner dabei, Propangasflaschen eines betroffenen Anwesens in Sicherheit zu bringen. Das Feuer kann an dieser Stelle gestoppt werden - keine Gefahr mehr.
Zur gleichen Zeit sind auch hier ein Löschflugzeug CL-415 des Zivilschutzes (Protezione Civile) und ein Hubschrauber des staatliches Forstkorps (Corpo Forestale dello Stato) unterwegs und werfen unentwegt Wasser über den größten Brandherden ab.

 
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Ein Löschflugzeug beim Anflug auf einen Brand am südlichen Berghang von Castellabate. Im Sturzflug taucht
der Pilot mit der Maschine hinter dem Berghang ab.

 
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Ein Hubschrauber vom Typ Sikorsky S-64F Skycrane bei der Löschwasseraufnahme im Mittelmeer. Er wird
angetrieben von zwei Triebwerken mit je 4800 PS und hat ca.12 Tonnen Zuladung.

 
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Der Hubschrauber beim anschließenden Wasserabwurf bei einem Brand an einem Berghang bei Mercato.
Unmittelbar durch den Brand verläuft eine wichtige Hochspannungsleitung.


Später am Abend blicken wir von unserer Dachterrasse über den Golf von Salerno und die überall aufflackernden Feuer. Mir fällt ein Feuerschein in der Nähe der westlich von uns gelegenen Ferienanlage unseres Freundes Gino auf. Als Ginos Frau Bruna aufgeregt wegfährt, brechen auch wir auf. Vielleicht können wir helfen. In der Ferienanlage angekommen, brennt der westliche Hang des Bergkammes. Zwei Häuser sind in Gefahr. Die Eigentümer eines der beiden Häuser sind aus Berlin. Sie kennen wir schon von einem ähnlichen Brand vor zwei Jahren. Auch damals hatten wir der Familie geholfen, ihr Haus durch Bewässern der umliegenden Fläche zu schützen. "Warum brennt es eigentlich immer nur, wenn Du hier Urlaub machst?" fragen sie scherzhaft. Während sie ihr Haus durch Bewässern des Gartens vor den Flammen schützen wollen, sind Gino und ein Freund mit einem Weinbergtraktor unterwegs. Angehängt ist ein Wasserbehälter, der eigentlich als Spritze gedacht ist. Gino hat ihn zum Bewässern umgebaut oder benutzt ihn wie jetzt zum Feuerlöschen. Mit Brettern und Ästen gelingt es uns, das Feuer auf ganz primitive Weise am Überspringen auf die andere Seite des Weges zu hindern. Eine schweißtreibende Arbeit bei nächtlichen Temperaturen um die 30 °C.

 
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Blick auf einen der Brandherde rund um Castellabate.

 
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Unaufhaltsam fressen sich die Flammen den Hang hinauf. Trockenes Gras, Büsche und Bäume bieten dem
Feuer reichlich Nahrung.

 
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Endlich: Die Vigili del Fuoco sind eingetroffen und können die Flammen am Hang unterhalb eines Wohnhauses
löschen. Dazu verwenden sie kleinere Geländewagen, die über einen Wassertank mit Schnellangriff verfügen.
Nachgetankt wird an einem Tanklöschfahrzeug, das auf einem befestigten Weg wartet.


Für uns waren die Brände in diesem Ausmaß ein Erlebnis, für die Italiener sind sie eine leidige Sisyphosarbeit. Rund 200 Hektar Feld und Flur sind am gestrigen Tage abgebrannt. Auch in diesem Jahr unterhalten wir uns wieder über die Brände und die Vigili del Fuoco. Anders als wir es in Deutschland kennen, ist die Feuerwehr hier nicht innerhalb von zehn Minuten "in der Regel" an einem Einsatzort. Einer der Feuerwehrmänner erklärt uns warum: Sie sind in Eboli stationiert, rund 45 Kilometer von Castellabate entfernt. Zwei Löschgruppen bedienen von dort aus ein riesiges Gebiet. Über eine Stunde fahren sie mit Sondersignal bis in die entferntesten Ortschaften, die teilweise nur über steile enge Straßen erreichbar sind. Es wäre nicht unüblich, dass Häuser bereits ab- oder ausgebrannt sind, bis die Feuerwehr eintrifft. Keine leichte Aufgabe für die Feuerwehrmänner. Vielfach sind die Bürger verärgert und lassen ihren Frust bei ihnen ab.

Die vielen Flächenbrände machen ihnen zusätzlich zu schaffen. Seit dem Verbot der Brandrodung wurden auch vielfach Feuerwehren, die hauptamtlich arbeiteten, aufgelöst. Teilweise werden die Flächenbrände von Feuerwehrangehörigen selber gelegt. So soll die Notwendigkeit der Feuerwehr demonstriert und vor allem Geld verdient werden, denn die noch verbliebenen ländlichen Feuerwehren werden für jeden Einsatz bezahlt. Weitere Brandursachen sind beispielsweise achtlos weggeworfene Zigaretten oder - trotz Verbotes - außer Kontrolle geratene Brandrodungen.

Vor Ort werden die Brände meist von den Kommunen oder dem Zivilschutz kategorisiert. Eine Art Erkundungsteam warnt die Bevölkerung und priorisiert den Einsatz der Feuerwehr. Wenn die Feuerwehr dann eintrifft, wird das Feuer in rechte Bahnen verwiesen: Meist wird nur Hab und Gut geschützt, die weiten Gras- und Buschflächen brennen mehr oder weniger kontrolliert ab.

 
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Am Tag danach: Weite Flächen verbranntes Land bleiben zurück. Ein nicht unübliches Bild in den trockenen
Sommermonaten im Cilento.

Weitere Informationen zur Organisation der italienischen Feuerwehr bei Wikipedia.

Text und Bilder: Alexander Hitz, Redaktion KFV Wetterau