04.07.2017 - Resümee nach zwölf Monaten - Über Umfang der Verwaltungstätigkeit überrascht

Wetteraukreis - Lars Henrich ist seit einem Jahr Kreisbrandinspektor des Wetteraukreises und damit Dienstvorgesetzter von 140 Feuerwehren und 25 Städten und Gemeinden. Im Interview spricht er über Herausforderungen, Ideen und seine bisherige Arbeit.

 

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Brennende Lagerhalle in Büdingen

Frage Herr Henrich, Können Sie ein erstes Resümee ziehen für dieses erste Jahr als Kreisbrandinspektor?
Lars Henrich Es war eine spannende Erfahrung. Ich bin zwar nicht unvorbereitet in diese Funktion gekommen. Ich war zehn Jahre Stadtbrandinspektor in Ortenberg und seit 2009 Kreisbrandmeister in der Wetterau und hatte so schon einen guten Einblick in den Aufgabenbereich. Das Ausmaß der Verwaltungstätigkeit hat mich dann doch etwas überrascht.

Frage Wie oft werden Sie nachts aus dem Bett geholt?
Lars Henrich Mindestens ein- bis zweimal die Woche. Seit Jahresbeginn wurden wir von Seiten des Brandschutzaufsichtsdienstes 86 Mal alarmiert, wo wir aufgrund der Einsatzlage mitalarmiert wurden. Seit dem 1. Januar  wurde ein Dienstplan für den Brandschutzaufsichtsdienst initiiert, um gegebenenfalls für die ehrenamtlichen Kreisbrandmeister, aber auch für meinen Stellvertreter und mich ein paar planbare freie Wochenenden zu erwirken. Hierdurch wird eine Verfügbarkeit des Brandschutzaufsichtsdienstes gewährleistet.

Frage Wenn Sie jetzt abwägen würden, was würden Sie als Erfolg Ihrer Arbeit rechnen?
Lars Henrich Zum einen würde ich es als Erfolg sehen, dass ich die Ausbildung zum gehobenen feuerwehrtechnischen Dienst parallel zu meinem Dienst absolviere, dazu die Umsetzung der Organisationsveränderung mit der Zusammenlegung des abwehrenden und des vorbeugenden Brandschutzes hier in der Kreisverwaltung.

Frage Was bleibt zu tun?
Lars Henrich Arbeit gibt es noch genügend. Aktuell arbeiten wir mit mehreren Kommunen - Butzbach, Nidda, Gedern und kreisübergreifend mit dem Landkreis Gießen - zusammen in der interkommunalen Beschaffung, etwa bei Drehleiterfahrzeugen. Ich würde die interkommunale Zusammenarbeit im Bereich der Beschaffung gerne noch weiter vorantreiben. Das würde Kostenersparnisse für alle beteiligten Kommunen bringen. Nach Abschluss meiner Ausbildung im nächsten Jahr würde ich gerne noch einmal den Versuch starten, eine einheitliche Beschaffung der Dienst- und Schutzkleidung für die Einsatzkräfte anzustoßen. Da geht es mir vor allem um einen einheitlichen Standard und die Schutzwirkung in der Wetterau. Aber auch hier spielt Kostenersparnis eine gewichtige Rolle.

Frage Das Thema „Einsatzbereitschaft“ ist ja immer ein Problem. Gibt es da Überlegungen, mehrere Feuerwehren zusammenzulegen? Gibt es da ein Potential?
Lars Henrich Das kann man pauschal nicht sagen. Das muss vor Ort geprüft werden. Das hängt von den Strukturen und von der geografischen Lage der Kommune ab. Die Kommunen müssen in der Aufstellung der Bedarfs- und Entwicklungspläne der Feuerwehren die Zehn-Minuten-Hilfsfrist und die Anforderungen der Einsatzkräfte in jedem Ausrückebereich der Feuerwehren berücksichtigen. Wenn in Kommunen mehrere Ortsteile eng zusammenhängen und dort auch ein Neubau geplant ist, sollte man es zumindest prüfen.

Frage Feuerwehr ist ja eigentlich nur ein Thema, das relevant ist, wenn man wirklich selbst betroffen ist. Vor wenigen Tagen war ja der verheerende Hochausbrand in London. In der Wetterau gibt es keine Hochhäuser mit so vielen Stockwerken, aber diese Katastrophe hat uns den Sinn von Vorbeugung deutlich gemacht …
Lars Henrich Wir haben auch in der Wetterau Hochhäuser, zwar nicht in dieser Höhe und in dieser Anzahl, aber es gibt sehr wohl Hochhäuser, das sind also Gebäude mit mehr als 22 Meter Höhe in der Wetterau. Ab 1984 gab es bautechnische Anforderungen an die Verkleidung und Dämmung. Kritisch zu sehen ist alles, was vorher gebaut wurde, denn davor waren Materialien zulässig, die brennbar sind. Von Seiten des Hessischen Wirtschaftsministeriums, als zuständigem Ministerium für die Bauaufsichtsbehörden, sind alle Hochhäuser, das sind Gebäude, die höher als 22 Meter sind, zu überprüfen, inwieweit dort diese brennbaren Materialien verbaut sind. Ich sehe aber auch andere Gebäude als kritisch an. Hochhäuser haben entsprechende Anforderungen, etwa für einen zweiten Rettungsweg. Gebäude, die niedriger sind - davon gibt es in der Wetterau quasi in jedem Ort welche - haben nicht die Anforderung eines zweiten Rettungsweges, sofern es sich nicht um Sondergebäude handelt, wie Kliniken, Altenheime usw. Hier wird der zweite Rettungsweg im Brandfall durch die Drehleiter der Feuerwehr sichergestellt. Hier können auch Dämmstoffe verbaut worden sein, die brennbar sind.

Frage Die Anforderungen bei den Dämmstoffen lauten, dass sie schwer entflammbar sind. Das heißt, sie brennen nicht von alleine weiter, wenn die Zündquelle erlischt. Wenn aber beispielsweise in unmittelbarer Nachbarschaft ein Altpapiercontainer brennt, dann geht auch eine solche schwer entflammbare Fassade in Flammen auf. Das kann dann schlimme Folgen haben. So etwas hatten wir vor einigen Jahren in Frankfurt erlebt. Was würden Sie aus feuerwehrtechnischer Sicht sagen, um so etwas in der Wetterau auszuschließen?
Lars Henrich Wir fordern von Seiten der Feuerwehren, dass nicht brennbare Baustoffe und Dämmmaterialien im erdgeschossigen Bereich eingesetzt werden. In den darüber liegenden Geschossen sollen dann die Materialien die Anforderungen „schwer entflammbar“ erfüllen. Das kostet vielleicht etwas mehr, kann aber im Zweifelsfall Leben retten. Das liegt natürlich auch im Eigeninteresse aller Bauherren.

Frage Vor ein, zwei Jahren waren Migranten in der Feuerwehr ein großes Thema. Hat sich da in der Wetterau etwas Neues ergeben?
Lars Henrich Ich war gerade dieser Tage beim Kreiszeltlager der Jugendfeuerwehren und konnte dabei erfreulicherweise feststellen, dass es eine ganze Reihe von Jugendlichen mit Migrationshintergrund in den Jugendfeuerwehren gibt. Diese Form der Integration funktioniert sehr gut. Das habe ich mir in mehreren Gesprächen bestätigen lassen, aber wir erreichen die Migranten ausschließlich über die Jugendlichen. Quereinstiege von Erwachsenen haben wir so gut wie keine. Das liegt vielleicht auch an der Sprache. Ich hoffe aber, dass wir über die Jugendlichen auch die Eltern für die Feuerwehren gewinnen können.

Frage Das Thema „Tageseinsatzbereitschaft der Feuerwehren“ ist ein immer wieder aufkommendes Thema. Wie kann die Sicherheit auch in Zukunft gewährleistet werden?
Lars Henrich Wir haben die Situation erkannt, dass durch viele Berufspendler die Tagesalarmbereitschaft allein durch eine Kommune nicht gewährleistet werden kann. Im Rahmen der Alarmplanerstellung alarmieren wir dann mehrere Feuerwehren und versichern damit, die notwendige Einsatzstärke in der vorgegebenen Hilfsfrist einzuhalten. Wir können nicht sagen, wie die personelle Entwicklung weitergeht. Zurzeit haben wir wieder mehr Menschen, die sich für das Ehrenamt in der Feuerwehr interessieren.

Frage Ist das nicht wie die Katze, die sich in den eigenen Schwanz beißt?
Lars Henrich Es sind weniger Leute da, die die Tagesalarmbereitschaft sicherstellen.

Frage Die werden dann natürlich häufiger zum Einsatz gerufen, was wiederum bei deren Arbeitgebern nicht nur Freude hervorruft?
Lars Henrich Ja, genau deshalb ist es auch wichtig, dass hier auch positive Anreize für die Arbeitgeber geschaffen werden. In der Diskussion ist eine steuerliche Entlastung für diejenigen Arbeitgeber, die Feuerwehrleute für ihren Einsatz freistellen.

Frage Für Sie persönlich, was war der größte Einsatz in den vergangenen zwölf Monaten?
Lars Henrich Das war das Großfeuer in Büdingen, in der Orleshäuser Straße. Da hat eine Lagerhalle genau gegenüber der Hessischen Erstaufnahmeeinrichtung gebrannt. Zum Glück kam niemand ernsthaft zu Schaden.

Quelle: Pressemitteilung Wetteraukreis vom 04.07.2017