14.07.2014 – Alter Ortskern gleicht einem Trümmerfeld / Wassermassen sorgen für schlimmes Hochwasser

WETTERAUKREIS - (leo). Der alte Ortskern gleicht einem Trümmerfeld. Ober- und Untergasse sowie die Fußgasse sind abgesoffen. Am Sonntagnachmittag schießt eine Flutwelle durch Wallernhausen, die alles mit sich reißt, was auf ihrem Weg liegt. Die braune Masse erfasst Autos, schleppt sie wie Spielzeug mit. Das Wasser strömt binnen Sekunden in die Keller, Feuerwehrmänner springen im letzten Moment aus ihrem Einsatzwagen. Auch der wird einfach weggespült. Die Flut schießt durch Ställe, Augenblicke später treiben leblose Schweine und tote Fische durchs Dorf. „Gott sei Dank hat das Unglück keine Menschenleben gefordert“, bilanziert Kreisbrandmeisterin Ulrike Schneider am frühen Abend, während zur gleichen Zeit Landrat Joachim Arnold in der Leitstelle des Kreises darüber nachdenkt, den Notstand auszurufen.

Es sollte ein fröhlicher Fußball-Sonntag werden. Regen und graue Wolken sollten alles sein, nur keine Spielverderber. Doch an die WM denkt niemand mehr. Wallernhausen trifft es richtig heftig. Vom Rambach geht normalerweise keine Gefahr aus, gestern sorgt er für die Katastrophe. „Es sieht aus wie nach einem Bombenangriff“, ist Niddas Ordnungsamtsleiter Uwe Bonarius am Abend entsetzt. Stadtbrandinspektor Matthias Holland ringt um Worte: „So was habe ich noch nicht erlebt. Unglaublich, welche Wassermassen da aus dem Fauerbacher Tal gekommen sind.“ Der Schaden dürfte in den Hunderttausenden liegen, Genaues vermag Holland noch nicht zu schätzen.

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Das Wasser schießt durch die Straßen, Autos werden wie Spielzeug gegen Häuser geschleudert. In Wallernhausen ereignet sich am Sonntag eine der schlimmsten Hochwasserkatas- trophen der vergangenen Jahre.
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Die ersten Wallernhäuser befreien am Sonntagabend ihre Zufahrten von Schlamm und Dreck. Andere schauen fassungslos auf das Zerstörte.

Ein Eindruck des Ausmaßes der Katastrophe ist schnell in den sozialen Medien im Internet zu sehen. Anwohner posten Fotos, die an Szenen des jüngsten Elbe-Hochwassers erinnern. Auf Facebook gibt es Bilder, auf denen Autos zu erkennen sind, die völlig zerstört an Fachwerkhäusern hängen. Drei Stunden lang steht das Wasser in den zentralen Ortsdurchfahrten etwa zwei Meter hoch. Während die Wallernhäuser Wehr überhaupt nicht ausrücken kann, weil das Gerätehaus unter Wasser steht, kämpfen Einsatzkräfte der Kernstadt, die Hilfe aus Ranstadt und Limeshain bekommen. „Circa 120 Leute sind im Einsatz, jeder Bürger, der kann, hilft, packt mit an“, sagt Holland. Viele seiner Kollegen sind zeitgleich in der Kernstadt sowie in Fauerbach, Schwickartshausen oder Ober-Lais im Einsatz.

Die heftigen Regenfälle haben Bäche und Flüsse in der gesamten Region ansteigen lassen. Noch in den späten Nachmittagsstunden ist die Nidder nicht nur über ihre Ufer getreten. Sie schlägt gnadenlos zu, überflutet viele Ortschaften. Auch andere Bäche kennen kein Erbarmen. In Gedern schießt das Wasser aus den Gullis, schnell sind Straßen komplett überschwemmt. Der Hillersbach richtet Schäden an, weiter südlich ist binnen 20 Minuten die gesamte Aue von Eckartsborn bis Ortenberg ein einziger See. Besonders das Unterdorf in Eckartsborn ist getroffen. Dort stehen alle Häuser unter Wasser. Der Weidmühlenweg ist nicht mehr zu sehen. „Mit 100 Kameraden und 21 Fahrzeugen sind wir draußen. Bestimmt bis tief in die Nacht“, rechnet Ortenbergs Stadtbrandinspektor Lars Henrich gegen 18 Uhr. Derweil ist auf dem Festplatz, auf dem Ende Oktober das Festzelt des „Kaale Määrts“ steht, komplett „Land unter“. Der Bauhof versucht die historische Nidderbrücke zu sichern. „Kalbs Villa“ steht mitten im Wasser, die Fluten kennen keinen Halt. Bürgermeisterin Ulrike Pfeiffer-Pantring ist fassungslos. „Ein solches Hochwasser habe ich noch nie erlebt.“

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Das Nachdem nach und nach die Wassermassen verschwunden sind, wird das Bild der Zerstörung in Wallernhausen erst richtig sichtbar.
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Die Flutwelle verwüstet zahlreiche Grundstücke.

Derweil koordiniert Kreisbrandinspektor Otfried Hartmann in Wallernhausen die Lage. Er ist inzwischen genauso vor Ort wie weitere Einsatzkräfte und später die Notfall-Seelsorge. Wie es zu dieser Flut kommen konnte, kann er zu diesem Zeitpunkt noch nicht sagen. Als die Wassermassen langsam verschwinden, bietet sich im Dorf ein Bild der Zerstörung. Aufgerissene Straßen, überall Treibgut, zerstörte Tore, Wasser und Schlamm in den Erdgeschossen, Garagen und Einfahrten, die aussehen, als hätten Explosionen stattgefunden. Vor einem Haus stehen Feuerwehrautos. Mit ihrer Hilfe sind Leute aus dem ersten Stock ihrer Wohnung gerettet worden, weil sie drinnen bis zur Hüfte im Wasser standen. Schwimmbad, Gerätehaus und jede Menge Wohnhäuser hat es heftig getroffen. Das ganze Dorf ist gegen 19, 20 Uhr auf den Beinen, viele beginnen mit dem Aufräumen, andere weinen, alle sind sie völlig aufgelöst.

Gegen 22 Uhr gibt Landrat Joachim Arnold in Friedberg zwar noch keine Entwarnung. Aber in Absprache mit dem Team der Leitstelle um Dr. Reinhold Merbs, dem Chef der Rettungsdienste des Wetteraukreises, klingt immerhin etwas Hoffnung aus seinen Worten: „Wir glauben, das Schlimmste ist überstanden. Die Lage hat sich etwas beruhigt.“

Quelle: Kreis-Anzeiger online vom 14.07.2014