14.07.2014 - Ranstadt/Reichelsheim - Viele tragen Gummistiefel. Sie stehen rund um einen Pickup, die Straße ist verschlammt. Auf der Ladefläche liegt auf Pumpen, Seilen, Kabeln und anderem eine große Pizza-Schachtel. Pizza, für alle die vorbeikommen.

Aus dem Radio des Fahrzeugs dröhnen laut die letzten Minuten des WM-Endspiels Deutschland gegen Argentinien, als das entscheidende Tor fällt. "1:0 für Deutschland" hört man die Einsatzleitung aus dem Funkgerät eines Feuerwehrmannes. Trotz all dem Leid, das die Anwohner hier in Ranstadt erfahren haben, bleibt Zeit für Freude über das Tor, Freude über den WM-Sieg der Deutschen Fußballer wenige Minuten später. Doch die Pumpen laufen weiter, noch die ganze Nacht.

 

Gegen 18:45 Uhr wurden die Reichelsheimer Feuerwehrfrauen und -männer am 13. Juli zur Hilfe gerufen. Die sechs Stadtteilwehren sammelten sich zunächst mit ihren Einsatzfahrzeugen auf Befehl der Zentralen Leitstelle des Wetteraukreises am Blofelder Feuerwehrhaus, dann gab es von Stadtbrandinspektor Michael Paulencu den Einsatzbefehl: Nachbarschaftshilfe nach einem Unwetter im benachbarten Ranstadt. Fragende Gesichter. Was war dort passiert?

In der Gegend um Nidda waren mehrere schwere Regengüsse niedergegangen. Hier hatte es vor allem den Ortsteil Wallernhausen mit voller Wucht getroffen. Das Ort liegt in einer Senke. Die Wassermassen hatten sich ihren Weg durch den Ort gesucht und die Straßen meterhoch unter Wasser gesetzt. Die umliegenden Feuerwehren versuchten zu retten, was zu retten war. Dann kam das abfließende Wasser mit der gleichen Wucht über die beiden normalerweise kleinen Bäche "Rambach" und "Laisbach" nach Ranstadt, wo sich beide Bäche vereinen um bei Dauernheim in die Nidda zu fließen. Während der Rambach die großen Wassermassen aus Wallernhausen versuchte abzuführen, brachte der Laisbach ähnlich große Mengen aus Schwickhardshausen und Bobenhausen nach Ranstadt. Brücken und Durchlässe bremsten die Wassermassen, so dass große Teile der anliegenden Wohnhäuser und Grundstücke in Ranstadt innerhalb kürzester Zeit überflutet wurden. Im Bereich der Straße "Zur Hardthöhe", die der Rambach unterquert, waren duzende Häuser und Gärten überflutet worden. Das Wasser stand bis zur Geländeoberkante in den Kellern, Treibgut und Schlamm säumte die Straßen. Viele Anwohner standen erschüttert und ratlos auf den Straßen, warteten auf Hilfe.

Die Hilfe kam aus Reichelsheim. Während das größte Löschfahrzeug für den Ernstfall in Reichelsheim zurückblieb, wurden alle anderen Fahrzeuge mit rund 50 Einsatzkräften in Ranstadt eingesetzt. Stundenlang wurden mit allen zur Verfügung stehenden Pumpen Keller leer gepumpt, Schlamm geschippt, Wege freigeräumt. Mehrfach mussten die Einsatzkräfte die Pumpen abschalten und reinigen, da das schmutzige Wasser die Siebe und Schutzkörbe verstopft hatte.
Die Hilfegesuche waren zahlreich. Die im Feuerwehrhaus Ranstadt eingerichtete Technische Einsatzleitung konnte die vielen Einsatzstellen nur nach und nach von den Feuerwehr-Einheiten abarbeiten lassen. Der stellvertretende Kreisbrandinspektor Michael Kinnel priorisierte und koordinierte mit den örtlichen Führungskräften die Hilfsmaßnahmen.

Die Solidarität der Einwohner untereinander war groß. Nachbarn halfen sich gegenseitig. Verwandte und Bekannte brachten Pumpen und Schläuche, Verpflegung und Getränke für die Helfer. Im Bürgerhaus konnten sich die Einsatzkräfte stärken, sofern eine Verpflegung vor Ort nicht möglich war. Bürgermeisterin Cäcilia Reichert-Dietzel war den ganzen Abend unterwegs, machte sich Bild von der Lage und half, wo sie nur helfen konnte.

Sandsäcke wurden aus dem Main-Kinzig-Kreis und Nidda angeliefert. Sie sollten den Kindergarten vor Überflutung durch den Laisbach schützen. Reichelsheimer Einsatzkräfte koordinierten die Anlieferung und Verteilung der Sandsäcke. Seinen ersten großen Einsatz hatte der in Reichelsheim stationierte Gerätewagen-Logistik. Die Feuerwehr war froh dieses Fahrzeug und seinen taktischen Wert nun endlich im Einsatz nutzen zu können: Aufnahme und Transport von Pumpen und Zubehör, Abtransport von duzenden schlammverschmierten Schläuchen spät in der Nacht. Zwischendurch wurde das Fahrzeug von der Einsatzleitung als Transportmittel für Sandsäcke vorgesehen.

Gegen Mitternacht trifft die Einsatzleitung die Entscheidung, die Arbeiten zunächst einzustellen. Noch immer flossen große Wassermassen durch den Ort, der Boden war durch und durch getränkt. Das Wasser musste zunächst abfließen, um weitere Arbeiten zu ermöglichen. Alle Tauchpumpen blieben für nachfolgende Einsätze vor Ort in Ranstadt, die Einsatzkräfte konnten gegen 01:00 Uhr nach Reichelsheim zurückkehren, nachdem zumindest die größten Wassermassen aus den Kellern gepumpt werden konnten. Vielfach werden Spezialfirmen tätig werden müssen, da in den überschwemmten Kellern auch Heizöl ausgelaufen war.

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Der Rambach sorgte mit einer Flutwelle, die aus dem benachbarten Wallernhausen kam,
für die Überschwemmung dutzender Häuser.


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Bis zur Geländeoberkannte waren die Keller überflutet. Mit Tragkraftspritzen wurden zunächst
die gröbsten Wassermengen beseitigt.


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Am schwersten wurden die direkten Anwohner von Rambach und Laisbach getroffen.

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Seinen ersten großen Einsatz hatte der neue Reichelsheimer Gerätewagen-Logistik in Ranstadt.

 

Text und Bilder: Alexander Hitz, Redaktion KFV-Wetterau.de