11.06.2008 - Friedberg (ots) - Nach dem Tod zweier junger Männer in einem Brunnenschacht Anfang Mai dieses Jahres, bestätigt nun ein Gutachten, dass es durch aus dem Grundwasser ausgasende Kohlensäure zu einer Anreicherung von Kohlendioxid in dem Schacht bei gleichzeitiger Verdrängung des Luftsauerstoffs gekommen ist. Dieses Gasgemisch ist hochtoxisch und hat offensichtlich zu dem festgestellten Erstickungstod geführt. Polizei und Wasserbehörde warnen in diesem Zusammenhang auch andere unbedarfte Schachtbrunnenbenutzer.

Wie berichtet, waren am Freitag, 9. Mai 2008, um 16.45 Uhr, zwei junge Männer im Alter von 28 und 31 Jahren in einem Brunnenschacht in der Feldgemarkung von Ilbenstadt bewusstlos aufgefunden worden. Nach der Rettungsaktion durch die hinzu gerufene Feuerwehr und anhaltender Reanimation verstarben sie jedoch kurze Zeit später im Krankenhaus. Bei dem Unglücksort handelt es sich um ein außerhalb in einem Wiesengelände gelegenes Grundstück der Familie des verunglückten 28-Jährigen. Im Bereich der hier stehenden Maschinenhalle hatte er zusammen mit seinem Freund, dem ebenfalls verunglückten 31-jährigen Ilbenstädter erst wenige Wochen zuvor eine Grube ausgebaggert und einen Wassersammelbehälter als herkömmlichen Brunnen zum Besprengen der Gartenfläche angelegt. Dabei handelt es sich um sechs aufeinandergestapelte Betonringe mit einem Durchmesser von 110 cm und einem konischen Betonkopf mit einem runden Betondeckel von 60 cm Durchmesser. Die Betonringe haben im Innenbereich übliche Steigeisen. Eine eingebaute, handelsübliche elektrische Saugpumpe förderte über einen Ansaugschlauch das im knapp fünf Meter tiefen Brunnen gesammelte Grundwasser unterirdisch zu einem Wasserhahn im Bereich der Maschinenhalle. Der Brunnen war bereits in Betrieb genommen und die Anlage hatte auch schon Wasser gepumpt. An dem Freitag wurde nach der Rettungsaktion ein Wasserstand von rund 3,4 Meter unter Gelände gemessen, womit in dem Brunnen eine Wassersäule von rund 1,4 Meter vorlag.

Wie ermittelt werden konnte, waren beide Männer an dem Nachmittag noch mit Pflaster- und anderen Arbeiten rund um die Brunnenanlage beschäftigt. Aus einem bisher nicht geklärten Grund stiegen sie in den Brunnenschacht. Eventuell war etwas mit der Pumpe oder dem Schlauch zu regeln. Es kann angenommen werden, dass der Zweite vielleicht dem Ersten aus der Notsituation helfen wollte. Der Bruder des 28-Jährigen entdeckte die beiden Verunglückten im Brunnen. Die Feuerwehr konnte nur mit Atemschutzträgern die Rettung der beiden Verunglückten, die ebenfalls selbst Feuerwehrkameraden waren, vornehmen. Wie die Messungen der Feuerwehr ergaben, herrschte selbst an diesem Freitagabend nach der künstlichen Belüftung des Schachtes nur ein geringer Sauerstoffgehalt von 9,7 Vol.-% in dem Brunnen. Die Normalkonzentration in der Umgebungsluft beträgt rund 20,9 Vol.-%. Experten schätzen den überlebensnotwendigen Sauerstoffanteil mit mindestens 15 Vol.-% ab. So könnte es sein, dass der erste Eingestiegene aufgrund des geringen Sauerstoffanteils das Bewusstsein verlor, der zweite ihn retten wollte und dabei selbst ohnmächtig wurde. Die durchgeführte Obduktion bestätigte in beiden Fällen die Annahme eines Erstickungstodes. Es ergaben sich keinerlei Hinweise auf sonstige Gewalteinwirkung.

Zur weiteren Klärung des Sachverhalts wurde ein sachverständiges Unternehmen für Geotechnik und Umweltschutz hinzugezogen. Das von dort erstellte Gutachten liegt nun den Ermittlungsbehörden vor. Nach verschiedenen Bohrungen und Untersuchungen geht der Sachverständige davon aus, dass durch das Ausbaggern des Erdreiches und Errichten des Brunnens eine Schwachstelle im natürlichen Gasgleichgewicht an dieser Stelle geschaffen wurde. Es ist bekannt, dass das tiefere Grundwasser in der Region um Ilbenstadt teilweise stark kohlensäurehaltig ist und über Klüfte oder sonstige "Schwachstellen" im Untergrund bis an die Geländeoberfläche aufsteigen und in Form von Quellen austreten kann bzw. es zu einer Durchmischung dieses Wasser mit dem oberflächennahen Grundwasserleiter kommen kann. Verschiedene Mineralbrunnen in der Region zeugen von solchem Wasser. Auf Grund ihrer physikochemischen Eigenschaften hat die Kohlensäure das Bestreben aus dem Wasser auszugasen, wie es auch bei Flaschen mit kohlensäurehaltigen Getränken deutlich wird. Die durch den Bau des Schachtbrunnens veränderten natürlichen Bodenverhältnisse haben offensichtlich dieses Ausgasen erleichtert. Das bedeutet, bei einer Druckentlastung, wie durch die Errichtung des Brunnenschachtes erzeugt, kommt es, so der Fachmann, bei Vorhandensein zu einer verstärkten Freisetzung von Kohlendioxid. Das wiederum ist schwerer als Sauerstoff, so dass das Kohlendioxid aus dem in dem Brunnen gefassten Grundwasser ausgast und mit der Zeit den im Schacht vorhandenen Sauerstoff nach oben verdrängt hat.

Polizei und Wasserbehörde warnen private Brunnenbauer und -betreiber!

Dieses Phänomen betrifft nicht nur Bereiche um Ilbenstadt! Es gibt einige Regionen in der Wetterau, am Taunusrand, in Hessen und anderswo, in denen Gleichartiges vorkommen kann bzw. oftmals schon festgestellt wurde. Den Geologen und Wasserbehörden ist dies bekannt und auch Trinkwasserbetriebe gehen nur nach entsprechenden Messungen mit Schutzvorkehrungen in entsprechende Schachtbrunnenanlagen.

Unbedarfte Brunnenbauer, die auf ihrem Grundstück einen Brunnen zur Bewässerung anlegen, wissen meist nichts von den bestehenden Gefahren, die damit einhergehen, so wie auch in diesem Fall in Ilbenstadt. Deshalb weisen Polizei und Wasserbehörden auch auf diesen Umstand hin und warnen vor der Gefahr, die von einem solchen Brunnen ausgehen kann. Man denke nur, dass im Brunnen ein Schlauch gesäubert oder eine Wasserpumpe ausgewechselt werden muss. Auch durch Gärungsprozesse entstandene Gase, beispielsweise von hineingefallenem Obst, können enorme gesundheitliche Schäden bei Personen, die in den Brunnenschacht einsteigen, anrichten. Unabhängig von der bereits aus dem Wasserrecht bestehenden Verpflichtung, dass das Anlegen von Brunnen anzeigepflichtig ist (!), sollten sie auch aus dem Gefährdungsgesichtspunkt der Wasserbehörde (im Wetteraukreis der "Fachdienst Wasser- und Bodenschutz) gemeldet werden.

Willi Schwarz Pressesprecher PP Mittelhessen


Anmerkung zur Wirkung von Kohlendioxid auf die Atmung

Leider herrscht vielfach – auch in Feuerwehrkreisen – die Meinung vor, Kohlendioxid verdränge den Luftsauerstoff und führe damit zum Tod durch Ersticken. Diese Annahme ist jedoch falsch.

Richtig ist, dass der Kohlendioxidanteil im Blut die Atmung steuert. Eine geringfügige Erhöhung der Kohlendioxidkonzentration auf ca. 1,5 Vol.-% in der Umgebungsluft hat eine Steigerung der Atemfrequenz zur Folge. Der Körper versucht, durch Erhöhung des Atemminutenvolumens vermehrt Sauerstoff aufzunehmen, was jedoch zu weiterer Aufnahme von Kohlendioxid führt. Konzentrationen >5 Vol.-% führen zu einer Lähmung des Atemzentrums (Atemgift mit Wirkung auf Blut, Nerven und Zellen), was unmittelbar zum Atemstillstand führt. Die lähmende Einwirkung auf das Atemzentrum ist daher bei Kohlendioxidvergiftungen hauptursächlich für den Atemstillstand mit Todesfolge; der Effekt der Sauerstoffverdrängung ist zweitrangig.

In der obigen Berichterstattung geht der steuernde Einfluss des Kohlendioxids auf die Atmung leider völlig unter; durch die Messwerte (Sauerstoffgehalt <10 Vol.-%) wird der falsche Eindruck der „erstickenden Wirkung“ zusätzlich betont. Kohlendioxid ist und bleibt jedoch ein Atemgift der Gruppe Wirkung auf Blut, Nerven und Zellen, da die physiologische Hauptwirkung für die Gruppenzuordnung maßgeblich ist, und dies ist eindeutig der unmittelbare Einfluss auf die Atemregulation. Als „erstickend“ kann und darf Kohlendioxid daher nur hinsichtlich seiner Eigenschaften als Löschmittel bezeichnet werden.

Des Weiteren sollte auch klar zwischen Kohlendioxid (Gas) und Kohlensäure (Flüssigkeit) unterschieden werden, da im alltäglichen Sprachgebrauch (und der Pressemitteilung der Polizei) beide Begriffe meist synonym verwendet werden.

Jens Christiansen, Kreisausbilder Atemschutz