"Bei der Feuerwehr zählt Zuverlässigkeit und Disziplin"

Die freie Journalistin Ines Dauernheim hat den Wetterauer Kreisbrandinspektor Otfried Hartmann interviewt.

 

hartmannWelche Aufgaben hat ein Kreisbrandinspektor?
Hartmann: Die sind vom Gesetz klar geregelt. Ich berate die Politik, die Feuerwehren, deren Führungskräfte und die Bürger. Die Brandschutzaufsichtspflicht liegt beim Kreisbrandinspektor, er prüft die Feuerwehren auf Qualität und Quantität in der Ausstattung. Schaut, dass die Unfallverhütungsvorschriften eingehalten werden, ob die Feuerwehrhäuser so sicher sind, wie sie gebraucht werden. Wir überwachen den Unfall- und Arbeitsschutz für die Wehren, immerhin sind die Feuerwehrleute Mitarbeiter einer Kommune, nur dass sie für ihre Arbeit kein Geld bekommen. Wir organisieren die Aus- und Fortbildung im Kreis, gestalten Lehrgänge, unterrichten im Jahr mehr als 1000 Feuerwehrleute. Außerdem koordiniere ich, wer zu den Lehrgängen an der Landesfeuerwehrschule in Kassel geht. Eine weitere Aufgabe ist der vorbeugende Brandschutz.

Und Einsätzen?
Ungefähr einmal in der Woche fahre ich zu einem Einsatz. Wenn die Lage ein Level überschreitet, kann ich  die Einsatzleitung übernehmen, ansonsten unterstütze ich die örtlichen Einsatzleiter.

Feuerwehren werden kritisch beäugt, dem Rechnungshof sind sie zu teuer. Was antworten Sie auf diese Kritik?
Dass Feuerwehren zu teuer sind, ist eine Milchmädchenrechnung. Die Kritik des Landesrechnungshofs ist widerlegt. Inzwischen gibt es in den Kommunen Bedarfs- und Entwicklungspläne, die erfassen das örtliche Risiko und welche Feuerwehrausstattung nötig ist. Seit es diese Pläne gibt, ist die Kritik leiser geworden. Mal ehrlich, was ist denn die Alternative zum freiwilligen Feuerwehrdienst? Jetzt haben wir die Zehnminuten-Frist, dass nach einem Alarm, zehn Minuten später die Einsatzkräfte vor Ort sind, die Zeit müsste verändert werden, fünf bis sechs Berufsfeuerwehrstandorte müssten im Kreisgebiet gebildet werden mit mindestens 80 Wehrleuten, die je 45 000 Euro kosten, da kommen locker mehrere Millionen an Personalkosten zusammen, dazu kämen die Kosten für Feuerwehrautos.

Feuerwehrleute übernehmen die ihnen übertragenen Aufgaben ehrenamtlich. Wie motivieren Sie ihre Truppe?
Wir versuchen das Interesse an den Aufgaben zu wecken, die Technik, die Einsätze in dauernder Improvisation in unterschiedlichsten Situationen. Feuerwehrdienst ist ein Stück organisierte Hilfe für Nachbarn. Jemand muss die Aufgaben übernehmen, dabei zu sein, hebt den Einzelnen aus der Masse heraus, das  „Ich bin etwas Besonderes“ ist ein Teil der Motivation. Wir belohnen unsere Feuerwehrleute, mit Beförderungen und steigender Verantwortung. All das bewegt Menschen sich zu engagieren.

Was spricht für eine ehrenamtliche Feuerwehr?
Es ist die große Anzahl der gut ausgebildeten Feuerwehrleute. Unsere Helfer, wissen, was sie tun, wenn es zu einem Einsatz kommt. Bei Großeinsätzen, wie beim Unwetter im vergangenen Jahr, haben sie die Feuerwehren bewährt. Mit nur einem Knopfdruck haben die Bürgermeister unsere Unterstützung. Das Negativ-Beispiel ist Griechenland, wo bei Waldbränden Menschen in Kameras nach der Feuerwehr jammern, die zuvor weggespart wurde. Das ehrenamtliche System ist bestechend, schnell viele Helfer zu jeder Zeit an einem Ort zu haben, das ist der Vorteil.

Feuerwehr im Wandel wie macht sich das im Wetteraukreis bemerkbar?
Inzwischen haben die Einsatzkräfte bei den freiwilligen Feuerwehren die gleiche Ausbildung wie Berufsfeuerwehrleute, die Freiwilligen besuchen über Wochen Lehrgänge. Der Vorteil ist, dass die Menschen in der Fläche ebenso geschützt sind, wie in Großstädten. Feuerwehren helfen inzwischen überall, von der kleinsten technischen Hilfe bis zum Großbrand. Dafür müssen sie sicher ausgestattet sein. Es gab immer wieder Unfälle, die Helfer erlitten schwere Verbrennungen, da ist es sinnvoll in Brandschutzkleidung zu investieren, wo ein Mantel rund 300 Euro kostet. Die Technik hat sich in den vergangenen Jahren gewandelt, wir können der Gefahrenabwehr heute nicht mehr so begegnen, wie vor 30 Jahren. Die Fahrzeugtechnik hat sich verändert, da können wir mit unseren üblichen Spreitzern bei Unfällen kaum noch die Karosserie aufhebeln. Deshalb wird immer mehr aufgerüstet, das Tempo gibt  die Industrie vor. Oder beim Hausbau: Früher wurde viel mehr Holz verbaut, heute sind in jedem Haus Kunststoffe, die bei einem Brand Gifte freisetzen können, ohne Atemschutz kann ein Feuerwehrmann nicht in brennende Gebäude. Die Ausrüstung für einen Feuerwehrmann kostet rund 2000 Euro.

Seit einigen Jahren werben die Feuerwehren intensiv um neue Mitglieder, was wird im Wetteraukreis getan?
Seit fünf Jahren gibt es einmal im Jahr einen Workshop mit Bürgermeistern, Vertretern vom Kreis und den Feuerwehren da sammelten wir viele tolle Ideen, die umgesetzt wurden, im nächsten Jahr wird über die Erfolge oder Misserfolge berichtet. Beispielsweise wurden in den Bad Vilbeler Stadtbussen Werbung für die Feuerwehren geklebt. Während der Brandschutzerziehung in den Schulen werben Feuerwehrleute für die Jugendwehren. Die Bad Nauheimer Feuerwehr geht sehr oft in die Fußgängerzone, veranstaltet für Jugendliche Gewinnspiele. Es gibt eine Menge von Ideen, die gefruchtet haben. Gerade das Werben um Jugendliche wird problematischer, es gibt weniger junge Leute, die Eltern unterstützen die Kinder in der Einstellung, dass nur das gemacht wird, was Spaß bringt, da bleibt Feuerwehr auf der Strecke. Allein sein geht bei der Jugendfeuerwehr nicht, bei uns zählt die Gruppe. Die Jugendlichen, die dabei bleiben, sind mit großem Eifer dabei.

Gehen den Feuerwehren auf dem Land bald die Einsatzkräfte aus?
Zumindest Tagsüber ist das ein Problem. In Betrieben wird immer kritischer geschaut, wenn ein Feuerwehrmann zum Einsatz ausrückt. Deshalb werden oft am Tag mehrere Wehren zum Einsatzort gerufen, da kommt es vor, dass ein Auto mit zwei Feuerwehrleuten ankommt, damit an der Einsatzstelle genug Helfer sind. In Zukunft werden wir große Probleme bekommen auf der Ebene der Führungskräfte.

Inwiefern?
Eine Feuerwehr zu leiten ist ein immens hoher Aufwand, die Vorgaben sind sehr hoch. Fährt eine Feuerwehr zum Einsatz, ist das kein Zuckerschlecken, die die Verantwortung tragen müssen gut ausgebildet sein. Wir rekrutieren unsere Führungskräfte aus Handwerksbetrieben, sie sind oft Meister, Vorarbeiter auch Landwirte, sie haben an der Arbeit so viel zu tun, dass sie es nicht schaffen den Feuerwehrdienst nebenher zu leisten. Heute sind Männer viel mehr in ihre Familien eingebunden. Eine Lösung könnten hauptamtliche Führungskräfte sein, die Strukturen werden sich weiter verändern. Ein Stadt- oder Gemeindebrandinspektor bringt rund 20 Stunden in der Woche für sein Ehrenamt auf – ohne die Einsatzstunden.

Die Anforderungen an die Feuerwehrleute steigen, viele ausgebildete Atemschutzgeräteträger sind nicht mehr tauglich. Warum?
Atemschutzgeräteträger zu sein, ist mit einem hohen Aufwand verbunden. Es ist Pflicht einmal im Jahr durch die Übungsstrecke zugehen. Diese Feuerwehrleute müssen fit sein und dürfen nicht zu dick sein. Inzwischen machen die Untersuchungen Arbeitsmediziner, die sind sehr streng, da wird nicht diskutiert, da gibt es keine Chance, wer nicht fit ist, darf nicht mehr eingesetzt werden.

Welche Wünsch haben Sie für die Zukunft der Feuerwehren?
Ich wünsche mir, dass das Engagement der Feuerwehren von Bürgern und Politikern wertgeschätzt und respektiert wird, wenn es ernstzunehmenden Lob für die Wehren gibt – dann wird es immer wieder Menschen geben, die die Aufgaben der Feuerwehren übernehmen. Die Idee, die hinter den Freiwilligen Feuerwehren steht, ist bestechend. Kein anderes Ehrenamt ist so für andere Menschen da wie die Feuerwehren.

Kreisbrandinspektor ist ihre Berufsbezeichnung. Wie haben Sie sich auf den Job vorbereitet?
Hartmann: Inzwischen bin ich seit 15 Jahren Kreisbrandinspektor, ich wurde vom Kreisausschuss eingestellt. Zuvor arbeitete ich in der IT-Branche und hatte ehrenamtlich mit der Feuerwehr zu tun. Damals organisierte ich die Ausbildung für die Feuerwehrleute im Kreis neu.
 
Mehr als 4000 Feuerwehrleute engagieren sich im Kreis

4287 Feuerwehrmänner und Frauen weist die Statistik fürs Jahr 2008 aus. Nach mehreren Jahren im Minus ist damit die Zahl der Aktiven leicht angestiegen und liegt wieder auf dem Niveau von 2005. Zuvor ging die Zahl der Wehrleute im Kreis stetig zurück, 1999 betrug sie noch 4788, bis 2005 war sie auf 4250 gesunken. Rund zehn Prozent der Aktiven sind Frauen, erklärt Kreisbrandinspektor Otfried Hartmann. Im Verhältnis zu den schrumpfenden Einsatzabteilungen steigt die Zahl der Einsätze: 1999 rückten die Wehren 2218 Mal aus, neun Jahre später wurden sie zu 3641 Einsatzorten gerufen. In den Jahren 2004 bis 2007 pendelten die Alarmierungen zwischen 2839 und 2586. Über das gesamte Kreisgebiet verteilt gibt es 147 Einsatzabteilungen und 134 Jugendfeuerwehren sowie 20 Bambinigruppen, in denen sechs- bis neunjährige an Feuerwehrthemen herangeführt werden. 1774 Jugendliche zwischen zehn und 16 Jahren engagieren sich in den Jugendfeuerwehren, im Alter von 17 Jahren werden die jungen Feuerwehrleute in die Einsatzabteilungen aufgenommen und beginnen ihre Ausbildung.


Text: Ines Dauernheim (freie Journalistin)
Bild: Kreisfeuerwehrverband Wetterau