Reichelsheim-Weckesheim - „Sich in der Feuerwehr zu engagieren, ist eine Lebensaufgabe, wer einmal dabei ist, der bleibt dabei“, sagt Heinz-Willi Lindt (62).Der Reichelsheimer Ehrenstadtbrandinspektor steht gemeinsam mit seinen Kameraden Paul Thörmer (62), Dietrich Genz (72), Lothar Zika (66) und Rudi Hägel (65) vorm Feuerwehrhaus und zeigt  Ausrüstung aus vergangenen Tagen. Echte Schätze holen sie hervor: die Druckspritze aus dem Jahr 1890, die von Pferden gezogen wurde, eine Handdruckspritze, Baujahr 1905, Helme und die blauen Kombis, die sie anzogen, als sie vor zwei Jahrzehnten zum Einsatz ausrückten. „Schutzausrüstung wie heute gab es ja damals noch nicht“, sagt Lindt, der seine moderne Einsatzkleidung angezogen hat. „Früher stand bei uns im Keller ein Kleiderständer, da hing die Feuerwehrkombi dran, für den Winter lagen ein Pullover und lange Unterhosen dabei“, erzählt Thörmer, der viele Jahre Wehrführer der Weckesheimer Feuerwehr war.
 
Heute hat die Truppe ihre Spinde im Feuerwehrhaus, das Gesetz regelt, dass binnen einer frist von zehn Minuten die Helfer an der Einsatzstelle sein müssen. Viel hat sich geändert seit die Männer in den 60er und 70er Jahren zur Feuerwehr kamen. Eines ist geblieben: Ihre Einstellung – zu Helfen, wenn sie gebraucht werden. Die gemeinsamen Erlebnisse schweißen zusammen. „Auf dem Land ist die Feuerwehr für alles zuständig“, sagt Thörmer und erzählt vom Schafe fangen. Ernster werden die Gesichter der Männer, wenn sie berichten, wie sie Vermisste gesucht haben oder bei schweren Unfällen halfen. Einmal fanden sie einen Mann, der seinem Leben ein Ende setzte. „Ich kann heute noch den Baum zeigen, an dem wir ihn damals entdeckten.“ Das Nachdenken über das im Einsatz erlebte, setze später ein, sagen die Feuerwehrmänner. „Gut, wenn zu Hause jemand ist, der zuhört und dass die Notfallseelsorge aufgebaut wurde“, sagen Lindt und Thörmer. Viel lieber erzählen die beiden vom Zusammenhalt innerhalb der Feuerwehr. Als den Weckesheimer ein Coup gelang, beim Wettkampf mit gleich drei Teams anzutreten und die ersten beiden Plätze zu belegen. Dafür stand der ehemalige Bankangestellte Thörmer schon morgens um vier bei einem Landwirt im Stall, um beim Versorgen des Viehs zu helfen, damit der Bauer beim Wettkampf dabei sein konnte. „Wir brauchten ihn in unserer Truppe.“
 
Von solchen Aktionen ging eine unglaubliche Motivation aus, sagt Genz, er bedauert, dass es immer weniger Wettbewerbe für die Aktiven gibt. Das Engagement in der Feuerwehr hat geholfen in Weckesheim heimisch zu werden, ungewöhnliche Einsätze schweißen zusammen, auch darin sind sich die Feuerwehrsenioren einig: „Im Schneewinter 1982 rückten wir mit Traktoren aus, um die Schneemassen von den Straßen zu räumen mit Feuerwehrautos hätten wird das nie geschafft.“ Es sei ganz normal, das zum Helfen zu benutzen, was man hat, erklärt dazu Lindt. Frierend und völlig durchnässt seien sie oft von Einsätzen zurückgekommen. „Das war damals normal, erst langsam entwickelten sich wärmere Jacken und Schutzjacken.
 
Nicht nur die Arbeitskleidung hat sich verändert auch die Geräte: Als die fünf vor vier Jahrzehnten begannen sich zu engagieren gab es noch keine Funkgeräte oder Atemschutz. Das hat sich während ihrer Dienstzeit entwickelt. „Mit der Gebietsreform 1972 kamen die ersten Funkgeräte auf“, sagt Lindt. Alarm wurde über die Sirene ausgelöst. Beim Einsatz hatte der Leiter immer einen Mann als Melder in seiner Nähe, er rannte zu den einzelnen Trupps und gab die Informationen weiter. War der Einsatz auf engerem Raum, nutzte der Einsatzleiter ein Megafon oder seine laute Stimme. „Wenn die Sirene ging, hat man als erstes aus dem Fenster geschaut, wo es brennt“, sagt Zika. „Das ist heute alles anders.“ Die Feuerwehrleute sind mit Piepsern, den Meldeempfängern, ausgerüstet, die rufen zum Einsatz, wenn die Wehr gebraucht wird. Wehmütig denken sie daran zurück, als es Jahre gab, in denen komplette Einsatzgruppen aus der Jugendfeuerwehr in die Einsatzabteilung wechselten. „Heute sind’s im Jahr im gesamten Stadtgebiet gerade mal fünf Zugänge“, sagt Lindt. „Es ist vieles beliebiger geworden.“ Früher sei es üblich gewesen, dass jeder Hausbesitzer der Feuerwehr beigetreten ist oder wenigstens im Verein Mitglied wurde. Froh sind sie darüber, dass sich die Technik weiterentwickelt hat. „Das hat auch uns Feuerwehrleuten geholfen schneller, effektiver und sicherer zu werden“, erklärt Lindt. „Bei allem, was wir tun, steht das Helfen im Vordergrund, ob es gut ist, alles in Gesetze zu fassen, das ist die Frage“, sagt er nachdenklich.
 
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Feuerwehr im Wandel: Fünf Weckesheimer Feuerwehrmänner, die schon seit vielen Jahrzehnten bei der Truppe sind, zeigen die Geräte und die Kleidung aus der Vergangenheit: Von links: Rudi Hägel in einer Einsatzkombi mit Gürtel, vor der Spritze aus dem Jahr 1890, hinten Dietrich Genz mit einem Schutzmantel, Heinz-Willi Lindt in der derzeitigen Ausrüstung, Paul Thörmer und Lothar Zika ebenfalls in ausrangierter Kleidung vor der Handspritze, Baujahr 1905.

 

Text und Bilder: Ines Dauernheim (freie Journalistin)