15.10.2008 - ZDF-Magazin "Frontal 21" kritisiert Technik:
Netz hat laut Experten Lücken - Freiberg spricht von katastrophalen Auswirkungen
Mainz (AFP) — Der geplante bundesweite Digitalfunk für Polizei und Rettungskräfte ist angeblich bereits zwei Jahre vor seiner Einführung völlig veraltet. Die Funkversorgung in Deutschland werde nicht einheitlich sein und die vereinbarte Technik die vorgesehenen Datenmengen kaum verarbeiten können, berichtet das ZDF-Magazin "Frontal 21" unter Berufung auf Experten. Schon vor der Ende 2010 geplanten Fertigstellung des digitalen Behördenfunknetzes sprach der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, demnach von einem "Rumpfnetz", mit dem "auf Jahre hinaus keine professionelle Polizeiarbeit geleistet werden kann".

Auch der Chef der Gewerkschaft der Polizei, Konrad Freiberg, beklagte einen "förderalen Flickenteppich" mit "katastrophalen Auswirkungen für den Polizeiapparat". Hintergrund ist dem Bericht zufolge, dass es in ländlichen Bereichen auch beim künftigen digitalen Polizei- und Rettungsfunk großflächige Funklöcher geben werde - vor allem für Einsatzkräfte, die ohne Fahrzeug unterwegs seien. Nur im Zentrum von Großstädten und im Umfeld schutzbedürftiger Einrichtungen solle der Digitalfunkempfang auch innerhalb von Gebäuden gewährleistet sein. In allen übrigen Gebieten werde der Empfang der so genannten "Tetra"-Funktechnik abhängig sein von der Besiedlungsdichte.

Grund sei die viel zu geringe Finanzausstattung durch Bund und Länder, kritisierte der Telekommunikationsexperte Torsten Gerpott von der Universität Duisburg-Essen. "Zu den fünf Milliarden Euro, die heute als Größenordnung genannt werden, muss man sicher noch mal zwei bis drei Milliarden Euro draufsetzen, um eine flächendeckende Versorgung innerhalb von Gebäuden hinzubekommen."

Laut "Frontal 21" hatte Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) den neuen Digitalfunk noch im vergangenen Jahr als den "weltweit anspruchsvollsten" angekündigt. Auch die Bundesanstalt für den Digitalfunk der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BDBOS) bekräftigte demnach auf Nachfrage des TV-Magazins, "die Fotoübertragung durch Webcams oder durch ein Funkgerät mit Kamerafunktion oder die allgemeine Übertragung von Daten wie zum Beispiel Fingerabdrücke oder Ermittlungsakten" seien nunmehr möglich.

Als Übertragungsgeschwindigkeit der neuen Technik gab die BDBOS dem Bericht zufolge drei Kilobit pro Sekunde an. Gerpott verwies im Gegenzug darauf, mit dieser "geringen Geschwindigkeit" seien allenfalls Telefonate möglich, "größere Datenmengen können damit aber nicht zeitnah verschickt werden". "Moderne Mobilfunkhandys sind tausendmal schneller."

 

Quelle:
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Anmerkungen zu dem o.g. Beitrag von Frontal 21
(JC) Vieles, was in dem gesendeten TV-Beitrag berichtet worden ist, kann so nicht stehen bleiben, da hier eine ganze Reihe an Fehlinformationen, durchsetzt mit reißerrischer Polemik, verbreitet worden sind. Bereits in der Anmoderation wird die Aussage getroffen, die Digitalfunkgeräte seien heute schon veraltet. Dies ist jedoch falsch; die Industrie entwickelt den Tetra-Standard ständig weiter, wie auch ständig neue Handys auf den Markt kommen. Ebenso wie beim GSM-Mobilfunknetz ist auch im Tetra-Digitalfunknetz sichergestellt, dass ältere Geräte ohne Einschränkungen (weiter)verwendet werden können (Abwärtskompatibilität). Nichts anderes sind wir vom analogen BOS-Funk her gewohnt; auch über das gute alte FuG 7b kann man problemlos mit einem modernen, mikroprozessorgesteuerten FuG 8b Teledux oder einem FuG 13a kommunizieren.

In dem Filmbeitrag wird die angeblich schlechte Funkversorgung (u.a. für Atemschutzüberwachung) bemängelt. Das ist zurzeit auch nicht weiter verwunderlich, da das Digitalfunknetz gerade erst im Aufbau begriffen ist. Abgesehen von einem "Mini-Netz" mit ein paar Basisstationen an einigen Versuchsstandorten ist das Netz eben noch nicht existent. Der angebliche "Beweis" mit dem Polizisten, der mit einem HRT (Handfunkgerät) im Innern eines Gebäudes unterwegs ist, spottet jeder Beschreibung. Und auch die Aussage, die Länder würden aus Kostengründen nur in einigen Ballungsgebieten eine flächendeckende Inhouse-Versorgung realisieren, ist so nicht richtig. Es ist unter allen Beteiligten (Bundesländer, BDBOS) eindeutig abgestimmt, dass es gegenüber dem 4m-Analogfunk keine Verschlechterung der Funkversorgung geben darf und wird. Im Rahmen des erweiterten Probebetriebs wird mittels Tests und Feldstärkemessungen der Bedarf an zusätzlichen Basisstationen ermittelt, da eine Funknetzplanung mittels Softwaresimulation die realen Bedingen eben nie ganz erreicht.

Die erwähnten Datenübertragungsrate von 3 kbit/s (exakt: 2,4 kbit/s) ist die höchste Verschlüsselungsstufe. Unverschlüsselt sind bis 28,8 kbit/s möglich. Man kann jedoch davon ausgehen, dass über 95 % des Funkverkehrs über Tetra reine Sprachkommunikation sein werden. Und auch Kurzmitteilungen (SDS, Short Data Service; ähnlich SMS), die zur Übermittlung von Einsatzaufträgen und Statusmeldungen verwendet werden (Ersatz für FMS), benötigen mit den wenigen zu übertragenden Textzeichen eine äußerst geringe Bandbreite. Diese Dienste mit einem Handy zu vergleichen, das mittels DVB-H oder UMTS Fernsehbilder empfangen kann, ist der sprichwörtliche Vergleich von Äpfeln mit Birnen.

Fazit: Es bleibt abschließend festzustellen, dass das ZDF als öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt, die sich ja gerne von dem angblich schlechten Niveau der Privatsender abheben möchten ("Mit dem Zweiten sieht man besser") mit diesem Beitrag eine äußerst schlecht recherchierte und reißerisch aufgemachte Story zustande gebracht hat. Diese Berichterstattung auf unterstem Bildzeitungsniveau soll beim Bürger/Wähler/Steuerzahler wieder einmal den Eindruck von "Geldverschwendung" und "MIßwirtschaft" hervorrufen. Ein Projekt, wie der Aufbau eines Digitalfunknetzes, hat es in dieser Größenordnung in der Bundesrepublik noch nie gegeben. Damit ist auch vorhersehbar, dass es an der einen oder anderen Stelle Startschwierigkeiten geben wird, die nur dann aus dem Weg geräumt werden können, wenn alle Beteiligten an einem Strang ziehen.

Jens Christiansen (Mitarbeiter des HMdIS, Projektgruppe Digitalfunk)