20.02.2020 - Geschlossenes Bürgerhaus diente als Übungsobjekt

Reichelsheim - Man sieht die Hand vor Augen nicht, die Orientierung im Rauch fällt schwer. Obwohl einige Feuerwehrmänner die Räumlichkeiten kennen, müssen sie sich langsam auf allen vieren vortasten.

Plötzlich taucht vor Ihnen aus dem Nebel ein Gefahrgutschild auf. Schnell melden die beiden Feuerwehrmänner die neue Lage per Funk an den Gruppenführer. Sie müssen die Zahlenkombination nochmal wiederholen - die Verständigung durch die Atemschutzmaske über Funk fällt schwer und erfordert ein gutes Gehör.

Eine Szene aus der jährlichen Fortbildung von rund 30 Reichelsheimer Atemschutzgeräteträgern. Für diese umfangreiche Fortbildung hatte Stadtbrandinspektor Nicklas Pipperek für die Feuerwehr das derzeit geschlossene Reichelsheimer Bürgerhaus von der Stadtverwaltung zur Verfügung gestellt bekommen. In den verschiedenen, teils verwinkelten Räumlichkeiten konnten so realitätsnah Einsatzübungen durchgeführt werden. In der Großküche wurde beispielsweise die Rettung eines verunfallten Feuerwehrmannes geübt. Mit abgedeckten Sichtfenstern der Atemschutzmasken mussten je zwei Feuerwehrmänner, unter Anleitung von Alexander Kleinhans und Jakob Hennigs, einen im Gebäude vermissten Feuerwehrmann suchen. Dabei diente als einzige Orientierung eine Schlauchleitung, die der Verunfallte zuvor im Gebäude verlegt hatte. Erschwert wurde die Suche durch allerhand Holz und Paletten, die einen fiktiven Teileinsturz des Gebäudes simulieren sollten. Der Feuerwehrmann musste anschließend aus dem Gebäude transportiert werden.

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Gerade haben die beiden Feuerwehrmänner einen verunfallten Kameraden gefunden. Sie mussten sich blind vortasten - die Sichtfenster der Masken sind vollständig abgedeckt.

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Bei der Rettung ist Teamwork gefragt: Der eine sucht den Rückweg, der andere hat den Verletzten im Schlepp.

Als weitere Übung waren in einem anderen Teil des Gebäudes von den Rettern vier mit Disconebel verrauchte Räume nach einer kurzen Belastungsübung systematisch abzusuchen. Dabei galt es Hinweisschilder zu finden und die Inhalte per Funk korrekt an die Übungsleiter Markus Ritter und Alexander Hitz zu übermitteln. Beispielsweise mussten hierbei komplexe chemische Bezeichnungen oder finnische Namen buchstabiert werden. Hierbei übten die Einsatzkräfte die Orientierung in nahezu identischen Räumlichkeiten und die Kommunikation mit dem Einsatzleiter über Funk und unter Belastung.

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Funken ist einfach, aber unter Belastung und mit Atemschutzmaske im Gesicht etwas schwieriger. Deshalb bringen die Atemschutzgeräteträger hier mit 'Schlauchwedeln' Kreislauf und Atmung etwas auf Touren, bevor sie die nächste Übung absolvieren.

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Auch 'Schlauchwedeln' will gelernt sein: Vize-Stadtbrandinspektor Markus Ritter weist auf die richtige Technik hin.

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Ausbilder Alexander Hitz instruiert die beiden Feuerwehrmänner für die nächste Übung. Dann werden sie durch die Tür im Hintergrund in den vernebelten Sportlerumkleiden verschwinden und nach Hinweisen suchen, die sie per Funk übermitteln müssen.

Eine weitere Ausbildungsstation war das gegenüberliegende Gebäude des 'Agendaraums' (ehemaliger Faselstall). Hier übten die Feuerwehrfrauen und -männer mit dem Atemschutzgerät auf dem Rücken mit Feuerwehrleitern Mauern zu überwinden und auf Terrassen aufzusteigen. Hierbei wurde von den Ausbildern Benjamin Freiter und Ingo Fechtner das Augenmerk auf Sicherheit, Schnelligkeit und die richtigen Knoten beim Befestigen von Schläuchen gelegt.

Einige speziell ausgebildete Teilnehmer schlüpften zum Abschluss des Ausbildungstages zusätzlich noch mit Atemschutzgerät in Chemikalienschutzanzüge. Die Arbeit in diesen Schutzanzügen, die meist bei Unfällen mit gefährlichen Stoffen zum Einsatz kommen, ist besonders belastend. Deshalb ist es wichtig, den Umgang damit und die Belastung im Einsatz zu üben. Dabei mussten vom Bürgerhaus zur Grundschule je zwei 20 Kilo schwere Kanister getragen werden.

Für die übrigen Teilnehmer gab es abschließend noch eine Orientierungsübung. Mit drei Nebelmaschinen hatten die Ausbilder den rund 200 Quadratmeter großen Saal des Bürgerhauses vollständig eingenebelt. Über zwei Eingänge galt es, im Saal nach Kuscheltieren zu suchen. Dies war gar nicht so einfach. Abgesehen von der eingeschränkten Sicht, versperrten außerdem Stühle, Tische und Turngeräte den Weg. Außerdem mussten die Trupps sich merken, wie sie in den Raum gelangt waren, um anschließend wieder den Rückweg zu finden. Eine entsprechend eingespielte Geräuschkulisse sorgte für das 'realitätsnahe Feeling'.

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Dieses Bild zeigt gut, wie dicht die Räume vernebelt waren. Noch steht der Atemschutzgeräteträger, doch schon bald wir er sich auf allen vieren weiter vortasten - in Bodennähe ist die Sicht einfach besser.

Auch einen theoretischen Pflichtteil beinhaltete der Ausbildungstag. Dabei vermittelte Stadtbrandinspektor Nicklas Pipperek im Reichelsheimer Feuerwehrhaus wichtige Grundsätze für den sicheren Einsatz mit Atemschutzgeräten. Zum Abschluss des Tages stärken sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer dort auch bei einem deftigen Mittagessen.

Das Fazit zu diesem vielseitigen Ausbildungstag fällt bei den Teilnehmern positiv aus. 'Man kann sich mit seinen Kameraden mal intensiv mit dem Atemschutzeinsatz auseinandersetzen, zusammen neue Techniken probieren und erlernen', resümiert ein Feuerwehrmann. 'Das Bürgerhaus war ein super Übungsobjekt, vor allem weil wir die Räumlichkeiten vorher nicht kannten.', ergänzt ein anderer.

Text: Alexander Hitz, FF Reichelsheim
Bilder: Dominik Rodriguez Lopez, FF Reichelsheim