04.07.2009 - Reichelsheim - Johanniter und Feuerwehr üben gemeinsam den Einsatz bei Verkehrsunfällen

Kopfschüttelnd steht ein Passant an dem alten Teilstück der ehemaligen Landstraße nach Dorn-Assenheim. "Wie kann denn sowas hier passieren?", fragt er. Ein Pkw liegt kopfüber auf einem Baumstück, ein weiterer steht noch auf der Straße. Um jeden der Pkws tummeln sich Rettungskräfte und versuchen die beiden eingeklemmten Fahrer aus ihrem Fahrzeug zu befreien. Der Reichelsheimer Wehrführer Alexander Hitz kann beruhigen: "Das ist eine Übung, die wir jährlich zusammen mit der Johanniter Unfallhilfe machen", erklärt er.

Bereits zum dritten Mal haben die Reichelsheimer Feuerwehren zusammen mit der Johanniter Unfallhilfe Wetterau den Einsatz bei Verkehrsunfällen in einer sogenannten "Polytrauma-Management-Schulung" geübt. Unter einem "Polytrauma" verstehen die Rettungskräfte mehrere schwere Verletzungen von denen mindestens eine lebensbedrohlich für den Patienten ist. In diesem Jahr wurde bei den Feuerwehren die Zusammenarbeit der Wehren Reichelsheim und Blofeld weiter intensiviert. Beide Feuerwehren sind für die technische Hilfeleistung bei Verkehrsunfällen ausgerüstet und rücken bei Unfällen stets gemeinsam aus.
Für die Einsatzkräfte des Rettungsdienstes galt es, schnell und präzise die unterschiedlichen Verletzungen zu erkennen und einzustufen. Aus diesen Erkenntnissen wird dann die Rettungsmethode festgelegt: Entweder eine schonende Rettung, die keinen Zeitdruck erfordert, oder eine sogenannte "Crash-Rettung", bei der der Patient schnellstmöglich aus dem Fahrzeugwrack befreit werden muss.

Die Ausbildung begann mit einem theoretischen Teil im Feuerwehrhaus Reichelsheim, zu der Reichelsheims stellvertretender Stadtbrandinspektor Bernd Philippi und Wehrführer Alexander Hitz die rund 40 Teilnehmer der Feuerwehren und der Johanniter Unfallhilfe begrüßten. Tim Medenbach von der Johanniter Unfallhilfe übernahm den medizinischen Ausbildungsteil. Dieser Teil war auch für die Feuerwehr äußerst interessant, da hier medizinische Fachbegriffe und das Vorgehen des Rettungsdienstes erläutert wurden. Nach einer Anfahrtszeit von 10 Minuten sind rund 20 Minuten in der sogenannten "Golden Hour of Trauma" an der Unfallstelle für die Rettung vorgesehen. Weitere 20 Minuten sind für den Transport ins Krankenhaus und dort zehn Minuten zur Übergabe des Verletzten eingeplant. "Das sind Zeiten, die wir meist nicht beeinflussen können", sagt Tim Medenbach. "Wir können aber die Zusammenarbeit mit anderen Hilfsorganisationen, wie beispielsweise der Feuerwehr optimieren, um die Rettungszeit zu verkürzen", erläutert Medenbach das Ziel der Ausbildung.

Stefan Schiavulli, Wehrführer in Blofeld, stellte in seinem Vortrag die Vorgehensweise der Feuerwehren bei der technischen Hilfeleistung nach einem Verkehrsunfall vor. Er ging speziell auf die Ordnung an der Einsatzstelle und die Kennzeichnung der Einsatzkräfte durch spezielle Warnwesten ein. "Die Fahrzeugaufstellung ist bereits bei der Anfahrt so zu wählen, dass Fahrzeuge des Rettungsdienstes noch an- oder abfahren können.", erklärt Schiavulli den Teilnehmern.

Nach einem kräftigen Frühstück wurden die praktischen Übungen vorbereitet. Auf der ehemaligen Landstraße nach Dorn-Assenheim konnten verschiedene Übungssituationen realitätsnah nachgestellt werden. Eine Übung mit zwei beteiligten Unfallfahrzeugen forderte den Einsatzkräften, wie auch den Statisten, einiges ab. Bei 30 °C hing eine Statistin kopfüber in einem Fahrzeugwrack, das auf dem Dach auf einem angrenzenden Baumstück lag. Nur auf dem Bauch liegend gelang es den Einsatzkräften sich zur Verletzten vorzuarbeiten. Nach dem Heraustrennen der Fahrertür und einer medizinischen Erstversorgung konnte die Fahrerin aus dem Fahrzeug befreit werden. Als problematischer stellte sich die Befreiung des Patienten aus dem zweiten Unfallfahrzeug dar. Die stabile Karosserie eines BMW trotze dem Schneidwerkzeug der Feuerwehr entgegen. So gelang es nur schwierig, die nötigen Schnitte mit der Rettungsschere zu machen um den Vorbau des Fahrzeuges mit einem Rettungszylinder so abzuknicken, dass die eingeklemmten Beine des Patienten befreit werden konnten. "Unsere Rettungsschere und der Spreizer sind zwischenzeitlich über 20 Jahre alt, die sind für die heutigen stabilen Fahrzeugkonstruktionen nur noch bedingt geeignet", sind sich die beiden Wehrführer Alexander Hitz und Stefan Schiavulli einig. Deshalb planen die Feuerwehren, diese Gerätschaften in den kommenden Jahren auf den neusten Stand der Technik zu bringen.

 

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Rund 40 Einsatzkräfte von Feuerwehr und Johanniter Unfallhilfe namen in Reichelsheim an
der Polytrauma-Management-Schulung teil.

 

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Schwieriger Einsatz: Bei schwül-warmen 30 °C wird eine Statistin kopfüber hängend aus
einem Fahrzeugwrack gerettet.

 

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An den Grenzen angekommen: Nur mühevoll lässt sich die A-Säule des BMW mit der
Rettungsschere durchtrennen. Ersatz für neues Rettungsgerät hat die Reichelsheimer
Feuerwehren bereits geplant.

 

Text und Bilder: Alexander Hitz, Wf FF Reichelsheim