21.08.2021 - Reichelsheim/Mayschoß (Ahrtal) - Die Feuerwehr der Stadt Reichelsheim hat in einer gemeinschaftlichen Spendenaktion sowohl Feuerwehrgeräte als auch die stolze Summe von 16.500 Euro für die Feuerwehr Mayschoß im Ahrtal gesammelt. Die Reichelsheimer helfen damit bei einem Neuanfang nach der Flutkatastrophe.

Die drei Reichelsheimer Feuerwehrmänner sind sprachlos. Sie sind unterwegs im Ahrtal, das Mitte Juli nach starken Regenfällen von einer Flutkatastrophe heimgesucht wurde. Gerade hat ihnen Berthold Ulrich, Wehrführer der Feuerwehr Mayschoß, die Schäden in dem 900 Einwohner großen Winzerort gezeigt und erläutert, wie das Hochwasser der Ahr das Tal verwüstet hat. "Wir wussten, dass es das Ahrtal hart getroffen hat. Aber wenn man nun selbst sieht, mit welcher Wucht das Wasser hier alles zerstört hat - es ist erschütternd", sagt Markus Ritter, Vize-Stadtbrandinspektor der Feuerwehr Reichelsheim. Er ist zusammen mit Stadtbrandinspektor Nicklas Pipperek und dem 1.Vorsitzenden der Kernstadtfeuerwehr, Alexander Hitz, nach Mayschoß gekommen, um der dortigen Feuerwehr bei einem Neuanfang zu helfen. Mit dem Gerätewagen Logistik haben sie Feuerwehrgeräte für eine erste Grundausstattung nach Mayschoß gebracht.

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Wehrführer Berthold Ulrich zeigt den Reichelsheimer Feuerwehrmännern welche Gewalt das Wasser hatte: Die Wassermassen haben zwischen Mayschoß und Rech die Brücken der Ahrtalbahn und des Ahrtalradweges zerstört.

Fast alles verloren
Wir haben bei der Flut fast alles verloren", erzählt Ulrich. "Unser Tragkraftspritzenfahrzeug konnten wir noch retten, aber es hat stark gelitten." Das Material der Wehr ging größtenteils verloren. "Wir waren bereits im Einsatz, als die Flutwelle kam. Wir mussten unsere Geräte zurücklassen, uns selbst retten", erzählt Ulrich von der Nacht auf den 15.Juli 2021. Das Feuerwehrhaus der Wehr liegt unmittelbar an der Ahr. "Es ist einsturzgefährdet. Auch acht unserer Kameraden sind unmittelbar betroffen", berichtet Ulrich weiter. Die Ahr bei Mayschoß erreichte einen Pegel von über acht Metern. "Das ist mehr als doppelt so hoch, wie das größte Hochwasser, was wir hier je hatten", weiß Ulrich aus der Vergangenheit.

Zwischenzeitlich steht der Feuerwehr Mayschoß für den sogenannten "Grundschutz" ein Löschfahrzeug aus Neustadt/Weinstraße als Leihgabe zur Verfügung. Auch ein Ford Transit wurde der Wehr als Mannschaftstransporter von der Feuerwehr Mühltal gespendet. Die Fahrzeuge stehen derzeit in den Höfen von Ulrich und den Nachbarn. "Wir erhalten demnächst ein gebrauchtes größeres Löschfahrzeug vom Typ LF16 als Ersatz, es ist allerdings nicht beladen", berichtet Ulrich von den Zukunftsplänen der Wehr. Hier kommen die Feuerwehrgeräte aus Reichelsheim gerade recht. Sie werden auf dem LF16 als Grundausstattung verladen werden. "Derzeit sind wir auf uns alleine gestellt, die Straße zum Stützpunkt nach Altenahr wurde durch die Flut zerstört.", erläutert Ulrich die Situation.

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Äußerlich sieht man dem Feuerwehrhaus nicht an, dass es einsturzgefährdet ist. Der Baumstamm auf dem Dach lässt jedoch erahnen, dass das Wasser der Ahr bis an den Schlauchturm stand.

Spendenaktion wird angeleiert
Die Idee zu einer Spendenaktion wurde in der Arbeitsgruppe "Presse- und Medienarbeit" der Reichelsheimer Feuerwehr geboren. Auf Mayschoß aufmerksam geworden sind die Reichelsheimer durch intensive Recherchen in den Medien. Vorsitzender Alexander Hitz nahm daraufhin ersten Kontakt mit Wehrführer Berthold Ulrich auf und berichtet von den Plänen zur Spendenaktion. Die Hilfe war mehr als willkommen. Helme und C-Schläuche waren die ersten dringend benötigten Materialien, die Ulrich nannte. "Wir wollten einer kleineren Feuerwehr direkt und unkompliziert Hilfe leisten", erklärt Pipperek die Motivation der Gruppe.

Die daraufhin innerhalb kürzester Zeit organisierte Spendenaktion hatte riesigen Erfolg. Zentrale Veranstaltung war am 7.August ein von den Stadtteilfeuerwehren gemeinsam organisierter Verkaufsstand am Reichelsheimer REWE-Markt. "Eine Wurst für Mayschoß" lautete das Motto. Die Erwartungen wurden gesprengt. Über 500 Bratwürstchen wurden in sechs Stunden verkauft. Es landeten allein an diesem Tag rund 3500 Euro in der Spendenbox. "Wir sind allen Beteiligten sehr dankbar für die großzügige Unterstützung", sagt Pipperek. Sämtliche Lebensmittel und Getränke, die von der Feuerwehr verkauft wurden, wurden gespendet. "Die Bäckerei Künkel lieferte die Brötchen, die Metzgerei Robert Müller die Würstchen und die Getränke wurden vom REWE-Markt Michael Meige, Licher und Förstina gespendet", erklärt Ritter. Über vier Stunden hielt sich eine rund 50 Meter lange Warteschlange konstant vor dem Würstchenstand. Doch die Reichelsheimer warteten gerne. Es ging doch um eine gute Sache. Immer wieder wurde die Frage gestellt, ob die Spenden auch wirklich direkt an die Feuerwehr Mayschoß gehen würden. Vorsitzender Hitz beruhigte: "Ja, wir werden die Spenden persönlich übergeben."

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Zentrale Veranstaltung der Spendenaktion war am 7.August ein Wurstverkauf am Reichelsheimer REWE-Markt.

Förderverein unterstützt
Für die Abwicklung der Spendenaktion zeichnete sich der Förderverein der Feuerwehr Reichelsheim verantwortlich. "Alleine in den ersten zwei Tagen nach Bekanntgabe unserer Spendenaktion für Mayschoß gingen rund 6000 Euro auf unserem Spendenkonto ein", sagt Hitz. Eine ungewöhnliche Situation für den gemeinnützigen Förderverein. "Unsere Rechnerin Christel Kurtz hat unser Vorhaben zuvor mit dem Finanzamt abgestimmt - wir wollten auf der sicheren Seite sein", erzählt Hitz von den Vorbereitungen. "Ich bin froh, Christel an meiner Seite zu haben und dass ich sie für unsere Idee begeistern konnte. Sie hat in den letzten Tagen viel Arbeit mit den Finanzen gehabt." Neben vielen Reichelsheimer Bürgern haben örtliche Vereine und Firmen große Summen gespendet. Auch die Fördervereine der Reichelsheimer Stadtteilfeuerwehren haben sich mit 2700 Euro beteiligt.
Bereits 14 Tage nach der Veröffentlichung des Spendenaufrufs stand das Material bereit. Schläuche in verschiedenen Größen mit Tragekörben, Strahlrohre, Armaturen, Scheinwerfer mit Stativen, eine Tragkraftspritze, ein Stromerzeuger, Leitern und vieles mehr wurden in den Gerätewagen verladen. Das Material kam aus allen Reichelsheimer Stadtteilfeuerwehren zusammen. Aus den Nachbarfeuerwehren Echzell und Ranstadt kamen weitere Feuerwehrschläuche hinzu. Auch eine Kiste mit Feuerwehrhelmen war dabei. "Da wir unsere Feuerwehr gerade auf ein anderes Helmmodell umstellen, haben wir eine größere Menge neuwertige Standardhelme zu Verfügung stellen können", erläutert Pipperek.

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Der Gerätewagen Logistik ist vollgepackt mit Feuerwehrgerät. Es dient der Feuerwehr Mayschoß nun als erste Grundausstattung für den Neuanfang.

Nach Mayschoß
Über die Autobahn geht die dreistündige Fahrt mit Geräte- und Kommandowagen bis kurz vor Mayschoß. Dann weiter auf einer provisorisch angelegten Schotterstraße hinab ins Ahrtal nach Mayschoß. Sie wurde provisorisch angelegt, denn der Ort war tagelang nach der Flut von der Außenwelt abgeschnitten. Pipperek fährt mit dem geländegängigen Kommandowagen vor, der schwere Gerätewagen folgt langsam.

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Auf dem Weg nach Mayschoß: Eine eilends angelegte Schotterstraße ist seit der Flut die erste Zufahrt nach Mayschoß.

Vor Ort wird das Material gesichtet und ausgeladen. Wehrführer Ulrich freut sich über die Geräte: "Damit können wir das Löschfahrzeug erstmal gut ausstatten". Die Geräte lagern erstmal in seinem Hof und in der Garage. Etwas sprachlos wird er, als die Reichelsheimer zusätzlich den symbolischen Spendenscheck über 16.500 Euro übergeben. "Mit einer solchen Summe hätte ich nicht gerechnet, das Geld können wir wirklich gut gebrauchen", sagt er dankbar. "Das wird noch nicht die finale Spendensumme sein, es gehen immer noch Spenden ein", erklärt Hitz den Spendenstand.

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Stadtbrandinspektor Nicklas Pipperek (mitte) und Vorsitzender Alexander Hitz übergeben eine Spendensumme in Höhe von 16.500 Euro an Wehrführer Berthold Ulrich in Mayschoß.

Lob für die Feuerwehr
Bürgermeisterin Lena Herget-Umsonst steht hinter der Spendenaktion der Feuerwehr: "Ich bin stolz auf unsere Feuerwehr und dankbar für ihr Engagement. Sie haben mit dieser Aktion bewiesen, dass sie nicht nur Verantwortung für die Menschen in unserer Stadt übernehmen wollen, sondern sich auch Menschen annehmen, die sich in Krisen außerhalb unser Stadt- und Kreisgrenzen befinden und Hilfe brauchen. Das ist unbezahlbar und verdient unsere Wertschätzung."

Mit vielen Eindrücken verlassen die Reichelsheimer gegen Abend Mayschoß. "Ich hätte nicht gedacht, dass wir innerhalb von 14 Tagen eine solche Summe zusammenbekommen", resümiert Stadtbrandinspektor Pipperek. "Die Reichelsheimer haben mit ihren teilweise großzügigen Spenden gezeigt, dass sie uns und unserer Aktion Vertrauen schenken. Dafür sind wir sehr dankbar!", ergänzt Hitz.

Text und Bilder: Alexander Hitz, Arbeitsgruppe PuMa, Feuerwehr Stadt Reichelsheim