01.09.2021 – Ein Erlebnisbericht – Nächste Fahrt am 7. September – Es sind noch Plätze frei
von Robert Winkler, Pressesprecher KFV Wetterau

Wetteraukreis/Ahrtal – Das Hochwasser ist abgeflossen und hat im Katastrophengebiet über fast 70 Kilometer Länge eine verheerende Verwüstung hinterlassen. Annähernd 140 Tote sind zu beklagen. In Rheinland-Pfalz sind 65.000 Menschen betroffen. In Anwesenheit von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Bundeskanzlerin Angela Merkel haben die großen Kirchen am Samstag im Aachener Dom der Opfer der Flutkatastrophe gedacht. „Menschen haben in den Fluten ihre Angehörige, ihr Hab und Gut, Erinnerungsstücke und die Existenzgrundlage verloren.“ Am Mittwoch gedachte Rheinland-Pfalz am Nürburgring der Opfer.

Aktuelle Situation
Etwa 250 Orte sind mehr oder weniger stark betroffen. Die zerstörerische Sturzflut am 14./15. Juli hat mehr als 60 Brücken an der Ahr zerstört. Das Aufräumen geht voran – aber es ist noch sehr viel zu tun. Die Straßen – soweit noch vorhanden – sind wieder einigermaßen befahrbar. Das Technische Hilfswerk (THW) hat bereits einige Behelfsbrücken für Fahrzeuge und Fußgänger aufgebaut. Noch immer haben etwa 20.000 Haushalte keinen Telefonanschluss. Nach Aussage der Telekom wird das auch noch Monate dauern. Die Wasserversorgung hat sich in der Hochwasserregion entspannt. In einigen Orten, etwa in Mayschoß, fließt das Trinkwasser aber noch nicht. Auch die Stromversorgung ist noch nicht wieder in allen Haushalten hergestellt.

Die Ahr führt wieder ihre normale Wassermenge und an manchen Stellen kann man mit Gummistiefeln trockenen Fußes ans andere Ufer kommen. Trotzdem benötigen die Menschen im Katastrophengebiet noch viele Monate Hilfe von außen. Die Bundeswehr, die in der Spitze mit 2.300 Soldaten im Einsatz war, hat ihren flächendeckenden Katastropheneinsatz inzwischen beendet. Auch die Initiative „Helfer-Shuttle“ bringt immer weniger Menschen ins Ahrtal, die bei den Aufräumarbeiten nach der Flutkatastrophe helfen wollen. Waren es am Anfang mehr als 1.500 am Tag ist die Zahl nun auf unter 1.000 Helfer gesunken.

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Ankommen und Frühstück in Grafschaft bei Helfer-Shuttle

Erster Helfereinsatz
Genau hier setzt nun der Kreisfeuerwehrverband Wetterau an. Seine Aktion „Helfende Hände Wetterau“ bringt tageweise freiwillige Helfer aus der Wetterau in das Ahrtal und wieder zurück. Am 26. August startete die erste Fahrt ins Katastrophengebiet. 35 hochmotivierte Männer und Frauen aus allen Teilen der Wetterau trafen sich in Altenstadt. Dann ging es mit dem Bus zum Innovationspark-Rheinland in Grafschaft. Dort hat Helfer-Shuttle eine kleine Zelt- und Campingstadt aufgebaut, die die logistische und organisatorische Verbind zwischen Hilfe-Suchenden und den Helfern herstellt. Von dort werden die Freiwilligen mit kleineren Shuttle-Fahrzeugen zu den Einsatzorten transportiert und am späten Nachmittag wieder abgeholt. Am Treffpunkt Helfer-Shuttle werden die Helfer vor und nach ihrem Einsatz verpflegt und erhalten Werkzeuge und Schutzausrüstung. Dort stehen auch sanitäre Anlagen, Duschcontainer und auch eine Erste-Hilfe-Station zur Verfügung. Seit Beginn der Aktion bis 31.08. wurden fast 46.000 freiwillige Helferinnen und Helfer in das Katastrophengebiet gebracht.

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Im Wohnheim waren Bäder auszubauen und die Mannschaft nach dem Hilfseinsatz

Weil wir mit 35 Personen und einem eigenen Bus relativ mobil waren, wiesen uns die Disponenten vier Einsatzstellen in Sinzig zu, die wir selbstständig anfuhren. Unser Auftrag war in einem Wohnheim und zwei Privathäusern Bäder und Zwischendecken auszubauen sowie in mehreren Räumen Putz abzustemmen und Schutt zu beseitigen. In einem Gewerbebetrieb sollte sauber gemacht und aufgeräumt werden. In Sinzig kamen wir durch Straßen in denen Berge von Schutt lagen und viele Container mit Heizöl zur Abholung standen. An vielen Häusern war außen zu erkennen, wie hoch das Schmutzwasser stand. Bei drei unserer Einsatzstellen stand das Wasser im ersten Stock. Bei einem Privathaus „nur“ 15 Zentimeter über der Arbeitsplatte in der Küche.

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Leichtbauwände im Keller wurden ausgebaut und Mittagpause am Verpflegungspunkt für Helfer und Betroffene

Obwohl wir in Sinzig keine Gegend mit völliger Verwüstung sahen, war die Stimmung im Bus doch sehr gedrückt. Es besserte sich langsam, als wir unsere Werkzeuge aus dem Bus luden. An allen Einsatzstellen trafen wir auf betroffene Personen. Manche waren völlig entkräftet, einige noch voller Tatendrang, manche sehr traurig von dem Erlebten und doch strahlten sie und waren überglücklich als wir – vollkommen Fremde – in großer Zahl vor der Tür standen und helfen wollten.

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Schutt wird aus dem Lichtschacht geholt. Die Hausherrin freut sich über die vielen Helfer.

Altenahr und Altenburg
Am späten Nachmittag hatte ich mich mit Marco Metz, stellvertretender Vorsitzender KFV Ahrweiler, verabredet. Wir fuhren nach Altenahr und trafen uns mit Wehrführer Stephan Knieps. Bei einer kleinen Fahrt durch Altenahr und den Nachbarort Altenburg zeigten sie mir, was das Hochwasser der Ahr in wenigen Stunden zerstört hat. Hatte ich geglaubt in Sinzig schon viel gesehen zu haben, übertraf das alles vorher Gesehene um ein Vielfaches. In Altenburg sind nur noch acht Häuser bewohnbar. Viele Einwohner fanden den Tod. 92 Prozent der Gebäude sind entweder von der Flut weggerissen worden, bereits abgerissen, müssen evtl. noch abgerissen oder zumindest von Grund auf saniert werden. Das Feuerwehrhaus Altenahr ist nicht mehr zu erreichen. Die Zufahrtstraße – die B267 – gibt es nicht mehr. An dieser Stelle klafft jetzt ein etwa 12 Meter tiefes Loch.

Die Bilder in den Medien waren erschütternd. Jedoch gerät das mediale Interesse an der Flutkatastrophe von Tag zu Tag mehr in den Hintergrund. Wir waren da und haben einige Stunden geholfen. Wir waren die Helfenden Hände Wetterau. Für uns ist die Flutkatastrophe greifbar, wir haben nicht nur Bilder gesehen. Aber wir waren am Abend wieder zuhause in unserem Heim und konnten in unserem eigenen Bett schlafen. Viele der Betroffenen haben alles verloren – einige sogar Angehörige, Freunde, Bekannte oder Nachbarn. Die körperlichen Schäden werden verheilen, die traumatischen Belastungen vielleicht nie.

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Es ist noch sehr viel zu tun in Altenahr

Wer fährt mit am 7. September?
Die Leute dort benötigen Hilfe. Beim ersten Mal haben wir Bayern, Schwaben und Hamburger getroffen. Einige campieren vor Ort und opfern ihren ganzen Jahresurlaub dafür. Am Dienstag, den 7. September, fahren wir wieder ins Ahrtal. Wo wir dann eingesetzt werden, wissen wir noch nicht. Das ist aber auch egal. Helfende Hände werden überall gebraucht und das noch für lange Zeit. In unserem Bus sind noch Plätze frei. Mitfahren kann jeder und jede – unabhängig davon, ob Angehöriger einer Feuerwehr oder nicht. Eine besondere Ausbildung ist nicht notwendig. Wer Werkzeug für das Abschlagen von Putz (z.B. elektrischer Stemmhammer mit Kabeltrommel) mitbringen kann, soll das gerne tun. Eigene Werkzeuge sind aber nicht Voraussetzung.

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Sauber machen und aufräumen im Gewerbebetrieb

Wer als Helfer oder Helferin mitfahren möchte, kann sich auf der Homepage www.kfv-wetterau.de unter Termine registrieren. Informationen zum Ablauf gibt es beim www.helfer-shuttle.de
Registrierte Helfer erhalten ab Freitag weitere Informationen zum Ablauf der Fahrt.