12.07.2010 - Wetteraukreis (pm). Die Wetterauer Notfallseelsorge hat ein neues Gesicht: Die evangelische Pfarrerin Carmen Berger-Zell ist Nachfolgerin von Pfarrer Jörg Fröhlich, der auf eine Gemeindepfarrstelle der neu gegründeten Johannitergemeinde in Nieder-Weisel wechselt. Berger-Zell koordiniert nun die Einsatzpläne der Notfallseelsorger, die über die Rettungsleitstelle alarmiert werden.
![]() Carmen Berger-Zell koordiniert kreisweit. die Einsatzpläne der Notfallseelsorger. (Foto: pv) |
Notfallseelsorger erhalten eine spezielle Ausbildung und tun ihren Dienst in aller Regel ehrenamtlich, in der Wetterau sind dies 20 Männer und Frauen. Die Notfallseelsorge ist ökumenisch organisiert, mit einer halben Pfarrstelle finanziert das Evangelische Dekanat Wetterau die Koordination und Begleitung ihrer Einsätze. Mit der zweiten Hälfte ihrer Pfarrstelle arbeitet Berger-Zell in Frankfurt-Preungesheim in der Gefängnisseelsorge.
»Spüren, was ein Mensch braucht«
Notfallseelsorgerin ist sie bereits seit 2006. Immer wieder hat sie seither erfahren, dass jeder Einsatz anders ist und jede Situation individuelles Reagieren erfordert. Wenn sie Polizeibeamte begleitet, die eine Todesnachricht überbringen müssen, oder bei einem schweren Unfall Angehörige tröstet, geht es darum, in all der Unüberschaubarkeit einer Notsituation Halt zu geben. Zu spüren, was Menschen dann brauchen, fordert jedes Mal neu ihre Intuition und Erfahrung.
Rüstzeug für diese Arbeit bringt Berger-Zell auch aus der Trauerarbeit mit. Seit 2002 ist sie Mitherausgeberin der Internetseite der evangelischen Kirche für Trauernde und Trauerbegleitende (www.trauernetz.de). Hier finden Trauernde Texte, Musik und die Möglichkeit, sich auszutauschen. Die tröstenden Worte und Gebete, die sie gemeinsam mit anderen für diese Seite geschrieben hat, sind gerade als Buch erschienen.
»Trauer braucht Räume.« Berger-Zell spricht diesen Satz aus persönlicher Erfahrung. Dass die Trauer um einen Menschen nicht einfach aus dem Leben gestrichen werden kann, wenn die »Trauerzeit« vorbei ist, sondern einen Platz im eigenen Leben finden muss - das hat die 43-jährige Pfarrerin selbst erlebt. »Billiger Trost«, weiß sie, »hilft in einer Krise wenig.« Weniger als »einfach da sein, das Schwere mit aushalten«, dem anderen signalisieren: »Du bist nicht allein.«
Die Kraft dafür schöpft sie aus ihrer persönlichen Erfahrung mit Gott: zu spüren, dass Gott an ihrer Seite ist und die Wege des Lebens mitgeht. In den Psalmen der Bibel entdeckte sie, dass man mit diesem Gott auch streiten kann und Klage führen, wenn diese Wege zu schwer erscheinen. »Das war eine Befreiung für mich«, erklärt sie.
Nach der Schule wird sie zunächst Krankenschwester, arbeitet zehn Jahre in diesem Beruf, erkennt aber schon mit Mitte 20: »Das kann es noch nicht gewesen sein.« Sie macht das Abitur nach, schwankt zwischen Möglichkeiten, die im Krankenhaus vor Augen sind: Ärztin, Psychologin oder Pfarrerin. Die Entscheidung fällt für die Theologie, sie studiert in Bochum und Wuppertal, arbeitet nebenbei weiter als Krankenschwester. 2002 bis 2004 ist sie erstmals in der Wetterau, als Vikarin in Bad Nauheim. Danach arbeitet sie beim 30. deutschen Kirchentag in Hannover mit. Dort kann sie einsetzen, was sie in einer Fortbildung über Unternehmenskommunikation und beim Gemeinschaftswerk für Evangelische Publizistik gelernt hat. Die Lust am Lernen zieht sich wie ein roter Faden durch die Biografie von Carmen Berger-Zell. So hat sie sich auch in systemischer Therapie und Beratung und in Seelsorgekursen und -tagungen fortgebildet.
Doch egal, welches berufliche Neuland sie betritt: Immer geht es um das Gespräch mit den Menschen, vor allem Menschen in Ausnahmesituationen: »Ich bin Seelsorgerin«, bringt sie ihr Selbstverständnis als Pfarrerin auf den Punkt.
»Blaulichtgottesdienst« im November
2005 tritt sie ihre erste Pfarrstelle in den Kirchengemeinden Heidelbach, Schwabenrod/ Münch-Leusel und Leusel im Vogelsberg an. »Vier Dörfer, drei Kirchen, ein Gedanke« - das Motto hat sie gemeinsam mit ihren Gemeinden entwickelt. Dass die auf dem Land füreinander da sind, hat die gebürtige Dortmunderin in dieser Zeit schätzen gelernt. »In die Stadt bringen mich keine zehn Pferde mehr.« So betrachtet sie es als Glücksfall, dass sie nun für ihre neue Tätigkeit in der Wetterau in das freigewordene Berstädter Pfarrhaus ziehen konnte. Und fühlt sich willkommen geheißen, als die Nachbarin sie zu ihrem Einzug mit Brot und Salz begrüßt.
Offiziell in ihr Amt eingeführt wird sie im Herbst. Schon jetzt weist sie auf den alljährlichen »Blaulichtgottesdienst« am 12. November in Klein-Karben hin, den sie mitgestalten wird und zu dem ganz besonders Feuerwehrleute und Mitarbeitende der Rettungsdienste eingeladen sind. Mit ihnen arbeitet die Notfallseelsorge eng zusammen, und nicht selten haben die Retter selbst Schweres zu verarbeiten: Auch für sie will Pfarrerin Berger-Zell als Seelsorgerin da sein.
Quelle: Wetterauer Zeitung online vüm 11.07.2010
