28.03.2011 - Delegiertenversammlung des Bezirksfeuerwehrverbands Hessen-Darmstadt in Ruhlkirchen

Antrifttal - (cak). „112 - Kein Anschluss unter dieser Nummer!“ So betonte der Vorsitzende des Bezirksfeuerwehrverbandes Hessen-Darmstadt Wolfgang Müller in seinem Jahresbericht die Notwendigkeit der Mitgliederwerbung für die Freiwilligen Feuerwehren. Zur Delegiertenversammlung des Bezirksfeuerwehrverbandes, der die Landkreise Gießen, Wetterau, Groß-Gerau, Bergstraße, Odenwald, Darmstadt-Dieburg, Offenbach sowie den Vogelsberg und die Städte Offenbach am Main und Darmstadt umfasst, kamen am Freitagabend über 50 Mitglieder in die Sporthalle von Ruhlkirchen.

„Nicht reden, sondern handeln“ - dieses Motto gab Müller allen Anwesenden mit und rief Kameraden, Politiker und Gäste dazu auf, an der Weiterentwicklung des Feuerwehrwesens mitzuarbeiten und das Ehrenamt weiter zu stärken. Denn wie er deutlich herausstellte, sieht sich die Freiwillige Feuerwehr gravierenden Problemen gegenüber: Zwar decken über 750 Freiwillige Feuerwehren mit 23 000 ehrenamtlich tätigen Mitgliedern im Verbandsgebiet die Aufgaben des Brand- und Katastrophenschutzes und der technischen Hilfeleistung ab und retteten bei etwa 3500 Brandeinsätzen und 11 800 technischen Hilfeleistungen zahlreiche Leben sowie Hab und Gut, aber dennoch hat der Vorsitzende Zweifel an der Zukunftssicherheit der Wehren, insbesondere in den ländlichen Gebieten.

Nicht nur die „Ü-60“-Verstärkung bei größeren und länger andauernden Schadenslagen macht ihm wegen der kaum noch zu leistenden physischen Anstrengungen Sorgen. „Das Ehrenamt darf nicht unbegrenzt belastet werden!“, ermahnte er.

Neben dem demografischen Wandel sprach Müller in seinem Bericht auch die Situation des Nachwuchses an: Auf 665 Jugendfeuerwehren mit 8550 Mitgliedern sowie einige Kindergruppen kann man stolz im Gebiet blicken. Doch viele Jugendliche geben ihre Mitgliedschaft beim Übertritt in die aktive Wehr auf. Dieses Phänomen begründet sich in mangelnder Lust, Verhinderungen durch Schule, Ausbildung, Wohnortwechsel oder Verpflichtungen in anderen Vereinen.

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Der neue Vorstand des Bezirksfeuerwehrverbandes Hessen-Darmstadt: Arnim Schmidt, Horst Friedrich, Wolfgang Müller und Paul-Heinz Eckhardt (von links). Foto: cak

Insbesondere tagsüber bestehe ein akuter Mangel an Einsatzkräften: Tageinsätze oder die notwendigen Lehrgänge an der Landesfeuerwehrschule seien für viele Arbeitnehmer nur noch schwierig in die Tat umzusetzen - die Angst vor dem Verlust des Jobs lähme, denn oft gebe es in den Führungsriegen wenig Verständnis für diese Inanspruchnahme. „Soziale Verantwortung für die Allgemeinheit ist oft ein Fremdwort für die harten Globalplayer“, ärgerte sich Müller. So müssten heute schon mehrere Ortswehren gleichzeitig alarmiert werden, um die Tagesstärke zu gewährleisten. Soziale Anreize wie Auszeichnungen für Firmen als „Partner der Feuerwehr“, die die Feuerwehren durch die Freistellung ihrer Mitarbeiter unterstützen, die Unterstützung der örtlichen Politiker oder die Aufklärung über die positiven Auswirkungen der Anstellung von Feuerwehrmännern im Sinne einer Kostenreduzierung durch motivierte Brandschützer und automatische Sicherheit am Arbeitsplatz durch den geschulten Blick könnte aus dem Dilemma führen.

Und auch vor der Integrations- und Migrationsdebatte dürften die Feuerwehren nicht den Blick verschließen: Die Feuerwehr habe eine enorme integrative Kraft, da sie ihre Aufgaben ohne das Ansehen der Person zu erledigen hat. „Die Feuerwehr braucht Vielfalt!“, appellierte Müller und sie müsse sich genauso dem gesellschaftlichen Wandel stellen und zeigen, dass jeder willkommen ist.

Eine wichtige Komponente seien auch die Spielmanns- und Fanfarenzüge: 99 Gruppen mit über 2000 Musikern würden laut dem Bericht des Bezirksstabführers Paul-Heinz Eckhardt eine Tradition der Feuerwehr weiterführen.

Neben seinen Feuerwehrkameraden konnte Müller auch viele Ehrengäste begrüßen: Neben Antrifttals Bürgermeister Johannes Averdung, der den Anwesenden aus Südhessen die Gemeinde vorstellte und den hohen Stellenwert der Freiwilligen Feuerwehr erläuterte, ermunterte Kreisbeigeordneter Uwe Meier in Vertretung von Landrat Rudolf Marx alle so weiter zu machen wie bisher, denn die beispielhafte Tatkraft bedeute für alle Sicherheit und leiste einen enormen Beitrag zum Wir-Gefühl in der Gesellschaft.

Der CDU-Landtagsabgeordnete Kurt Wiegel plädierte für einen anderen Umgang mit den Ehrenämtern: Vorteile bei Bewerbungen wären ein möglicher Denkanreiz für die Anerkennung und den Erhalt des Ehrenamts.

Auf viel Erfahrung in der Zusammenarbeit mit der Feuerwehr kann der Leiter der Polizeistation Alsfeld, Harald Bartel, verweisen. „Die Polizei, dein Freund und Helfer“ gelte seiner Meinung nach auch für die Feuerwehr. Auch er machte Vorschläge zur Mitgliedergewinnung und -pflege, da er sich des Unterschieds zwischen hauptamtlicher Polizeiarbeit und ehrenamtlichen Feuerwehreinsätzen durchaus bewusst sei. So könnten alle im öffentlichen Dienst Tätigen auch die Auflage erhalten ehrenamtlich für die Feuerwehren tätig zu sein.

Im Anschluss standen die Neuwahlen des Vorstandes an. Wolfgang Müller wurde mehrheitlich als Vorsitzender wiedergewählt. Ihm zur Seite stehen in Zukunft Horst Friedrich als Stellvertreter, Schriftführer Arnim Schmidt und Paul-Heinz Eckhardt als Rechner. Zudem wurde der ehemalige Vorsitzende Gerd Battenfeld zum Ehrenvorsitzenden bestimmt und der 19 Jahre lang als Rechner tätige Herbert Funk aus Bensheim zum Ehrenmitglied ernannt.

Zum Abschluss der offiziellen Veranstaltung hielt der Gefahrenverhütungsbeauftragte des Landkreises Gießen, Horst Marquardt, einen Fachvortrag zu einem Großbrand in einem Möbellager bei Wettenberg. Dabei erzählte er von den Erfahrungen der Feuerwehr und des vorbeugenden Brandschutzes und zeigte die Dynamik des Brandes anhand einer Bilddokumentation und einigen „Schmankerln“ - Amateur- und Überwachungsfilmen.

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Der stellvertretende KFV-Vorsitzende Michael Kinnel (re)  führt die Wetterauer Delegierten an. Bild: Marcus Bauer

Quelle: Oberhessische Zeitung online vom 28.03.2011