23.09.2008 - Kassel. Neuer EU-Führerschein könnte zu Engpässen in Einsatzwagen führen

Vor allem freiwillige Feuerwehren im ländlichen Bereich könnten künftig vor einem Problem stehen: Ihnen gehen die Fahrer für schwere Einsatzfahrzeuge aus. Schon seit einigen Monaten häufen sich entsprechende Klagen vor allem aus kleineren Städten und Gemeinden.
Der Grund: Nach der Neuordnung der Führerschein-Klassen durch die EU dürfen junge Leute, die ihre Pkw-Fahrlizenz des Typs B nach 1999 erworben haben, nur noch Autos bis maximal 3,5 Tonnen Gesamtgewicht lenken.
Was in Hessens Feuerwehrgaragen steht, ist aber oft schwerer. Nach Darstellung von Harald Popp, Geschäftsführer des Hessischen Landesfeuerwehrverbandes in Kassel, sind in ländlichen Gebieten vorwiegend Einsatzfahrzeuge der Typen TSF (Tragkraftspritzenfahrzeug) und TSFW (Tragkraftspritzenfahrzeug - Wasser) im Einsatz. Während der Typ TSF an der 3,5-Tonnen-Grenze liegt, ist ein TSFW wesentlich schwerer - weil nicht nur sechs Mann Besatzung, sondern auch mehrere Tonnen Wasser mitfahren. Um den dafür nötigen Führerschein der Klasse C oder CE zu erwerben, sind einschließlich aller Kosten rund 2000 Euro fällig.
Der Hessische Landesfeuerwehrverband unterstützt deshalb einen Vorstoß aus Bayern, die Fahrerlaubnisgrenze von 3,5 auf 4,2 Tonnen anzuheben. Dann wären vor allem die Wehren im ländlichen Bereich ihre Sorgen los.
Daran, dass einige Feuerwehren in eine Fahrer-Klemme geraten könnten, ist nicht Brüssel Schuld. Politiker und Feuerwehrleute sehen in Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) den Sündenbock. Das Europäische Parlament hatte nämlich im Führerschein-Beschluss Sonderregelungen für Feuerwehren verankert - die aber wurden für Deutschland nicht übernommen. Tiefensee habe die Anpassung an das deutsche Gesetz schlicht verschlafen, lautet die Kritik.
"Vorbehaltlos", so der Geschäftsführer Popp vom Hessischen Landesfeuerwehrverband gestern zu unserer Zeitung, tragen die Feuerwehrmänner und -frauen zwischen Bad Karlshafen und Bensheim die Bundesratsinitiative Bayerns, damit auch in Hessen die jungen Einsatzkräfte wieder wie die Kollegen ans Steuer auch schwerer Fahrzeuge dürfen, die ihren Führerschein vor 1999 gemacht haben.
Einigen Wehren brennt das Thema auf den Nägeln, Alarm aber will der Hessische Feuerwehrverband deshalb zunächst nicht auslösen. Vor allem auch deshalb, weil laut Geschäftsführer Popp viele Städte und Gemeinden trotz knapper Haushaltsmittel durchaus bereit waren und auch bereit sind, die Führerschein-Erweiterung von Feuerwehrleuten entweder finanziell zu unterstützen oder gar gänzlich zu bezahlen. Aber: Würde die Tonnengrenze nicht angehoben, so Popp, steht das Problem "in nicht allzu weiter Ferne bei uns vor der Tür".

Hintergrund: Hessens Feuerwehren
In den hessischen Feuerwehren sind nach Angaben des Landesfeuerwehrverbandes nahezu 500 000 Mitglieder zusammengeschlossen. Der Verband ist nach eigenen Angaben die größte Hilfeleistungsorganisation in Hessen mit rund 120 000 Aktiven. Davon sind etwa 4000 Frauen und 34 000 Angehörige der Jugendfeuerwehren.
Der Feuerwehrdienst wird überwiegend ehrenamtlich geleistet. In Hessen bestehen mehr als 2600 freiwillige Feuerwehren in Städten und Gemeinden sowie rund 70 Werks- und Betriebsfeuerwehren. In den Städten Frankfurt, Wiesbaden, Kassel, Darmstadt, Offenbach und Gießen gibt es Berufsfeuerwehren. Die Hessische Landesfeuerwehrschule Kassel sichert die überörtliche Ausbildung. Der Landesfeuerwehrverband Hessen ist der Zusammenschluss aller hessischen Feuerwehren.

Quelle: HNA online vom 23.09.2008