23.01.2010 - 82-mal rückte die Feuerwehr im letzten Jahr zwar nicht umsonst, aber unnötig aus

Bad Nauheim (buc). Die ohrenbetäubende Sirene lässt auch den Hartgesottensten zusammenzucken. Die Zigarette, die vor Schreck beinahe aus den Fingern gefallen wäre, ist diesmal Grund zur Aufregung, nicht zur vermeintlichen Entspannung. Der Blick an die Decke lässt Schlimmes vermuten: Dieser Alarm schrillt, weil der Brandmelder fälschlicherweise den Qualm der Zigarette als Feuer identifiziert hat. Kein Feuer - kein Grund also die Feuerwehr zu rufen. Sofern jedoch der Brandmelder direkt mit dem Feuerwehrstützpunkt verbunden ist, bringt der Alarm die Feuerwehrleute erst auf Trab, dann in Fahrt. Auch wenn die Brandschützer umgehend informiert werden, dass es sich lediglich um einen Fehlalarm handelt: Die Mannschaft rückt trotzdem an. Eine gesetzliche Verpflichtung bestehe zwar nicht, sagt der Leiter des Bad Nauheimer Feuerwehrstützpunkts, Joachim Krämer. Aber man sei lieber auf der sicheren Seite. 2009 handelte es sich bei etwa einem Drittel der Einsätze um Fehlalarme, für deren Kosten der Verursacher aufkommen muss.

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Feuerwehrleute bereiten sich auf den Einsatz vor: Die zahlreichen Fehlalarme kosten die Aktiven wertvolle Zeit.
(Fotos: buc)

Krämer hat eindrückliche Erfahrungen gemacht. Er erzählt von einem Alarm in einem Altersheim. Als sie dort angekommen seien, habe eine der Pflegerinnen sich für das »unnötige Ausrücken« entschuldigt und sie wieder zurückschicken wollen. Ein Heimbewohner habe im Zimmer geraucht, dadurch sei der Alarm ausgelöst worden, habe die Frau erklärt. Es sei eher ein Bauchgefühl gewesen, das ihm sagte, doch einmal nachzuschauen, erinnert sich Krämer. In der Tat hatte einer der Bewohner im Zimmer geraucht. Das war aber gar nicht die Ursache des Alarms. Zufällig öffnete die Dame im Zimmer gegenüber die Tür, um zu sehen, was im Flur vor sich gehe. Über ihre Schulter hinweg sah Krämer, wie ein elektrischer Wasserkocher lichterloh in Flammen stand. Seitdem steht für ihn fest: Sobald ein Brandmelder anschlägt, fährt die Feuerwehr hin. Wenn vor dem Ausrücken eine Entwarnung erfolgt, wird allerdings nicht »in voller Mannstärke« losgefahren.

Im vergangenen Jahr rückte die Bad Nauheimer Feuerwehr 82 Mal unverrichteter Dinge wieder ab. Bei insgesamt 257 Alarmen eine nicht zu unterschätzende Anzahl. In der Kurstadt sind 70 Gebäude mit Brandmeldern ausgerüstet, die direkt mit dem Stützpunkt verbunden sind. Über solche Anlagen verfügen unter anderem die Kliniken und Seniorenheime, alle Schulen sowie Wohnungen und Häuser, wenn dies vom Besitzer gewünscht oder vom Kreisbauamt vorgeschrieben sei. Beispielsweise mussten die Badehäuser im Sprudelhof mit Brandmeldern ausgestattet werden, erläutert Krämer. Der finanzielle und ideelle Schaden eines Brandes sei potenziell so hoch, dass das Kreisbauamt den Einbau von Brandmeldern angeordnet habe. Die Badeanlage ist eines der »Sorgenkinder« von Krämer. Da die Anlage veraltet sei, melde sie auffällig oft ein Feuer, das gar nicht brenne. Manche Hausbesitzer entschieden sich für Rauchmelder mit Feuerwehr-Anschluss, wenn sie dadurch auf den Bau von Rettungswegen verzichten könnten, sagt Krämer. Andere hoffen durch frühe Entdeckung eines Brandes, größeren Schaden zu vermeiden. Nach Angaben des Stützpunktleiters gehen die Fehlalarme meist auf technische Störungen der Brandmelder - sogenannte Selbstauslösungen - oder Arbeiten von Handwerkern zurück. Der Staub, der dabei entstehe, wirke ähnlich wie Rauch und könne den Brandmelder aktivieren.

Stellt sich die Frage: Wer zahlt, wenn die Feuerwehr anrückt? Ist der Alarm durch einen Brand ausgelöst und somit berechtigt, zahlt der Staat - das heißt die Steuerzahler. Kosten für Fehlalarme müssen vom Verursacher übernommen werden. Die Rechnung in Höhe von pauschal 460 Euro geht an den Hauseigentümer oder Betreiber - unabhängig von Größe des Gebäudes und der Einsatztruppe. Wenn allerdings in Schulen beispielsweise nicht geklärt werden kann, welcher der Schüler, Lehrer oder Besucher den Alarm ausgelöst hat, zahlt am Ende ebenfalls der Steuerzahler. Selbst wenn der Urheber belangt werden kann, bleibt Vater Staat bei Fehlalarmen auf einen Teil der Kosten sitzen. »Die 460 Euro sind nie kostendeckend«, betont Krämer.

»Das zahlt keine Versicherung«

Unterschiedlich handhaben Kliniken, Hotels und Altersheime der Kurstadt, wie und ob sie die Kosten an die Verursacher weitergeben - falls der zu ermitteln ist. Im Hotel Dolce wird laut General Manager Michel Prokop keinem Gast ein Fehlalarm in Rechnung gestellt. Es gibt auch keine Versicherung, die für die Kosten aufkommt. »Das zahlt keine Haftpflichtversicherung«, sagt Prokop. Im vergangenen Jahr habe es im Hotel einen Alarm gegeben, weil der Brandmelder sich aufgrund eines Defekts selbst ausgelöst habe. 2008 gab es zwei Fehlalarme: einer durch Selbstauslösung, der zweite aufgrund von Staub durch Arbeiten mit der Bohrmaschine.

Im Parkstift Aeskulap sind Fehlalarme nach Auskunft von Marco Stumpf aus der Verwaltung des Seniorenheims ebenfalls selten. 2009 sei einmal der Alarm ausgelöst worden, weil einer der Bewohner etwas auf der Herdplatte liegen gelassen hatte. Da es sich um einen »richtigen« Alarm handelte, musste der Verursacher für den Feuerwehreinsatz auch nicht aufkommen.

Stefan Keller, Prokurist und Verwaltungsleiter des Hochwaldkrankenhauses, berichtet von zehn Fehlalarmen in 2009. Viermal habe das Haus bezahlt, die restlichen Kosten konnte die Klinikverwaltung den Verursachern - zumeist Handwerker - in Rechnung stellen. Fehlalarme durch Bauarbeiten seien vermeidbar, ärgert sich Keller. Normalerweise sei jeder Handwerker verpflichtet, dem technischen Hausdienst bekannt zu geben, wenn durch die Arbeiten Staub oder Rauch entsteht. Dann könnten die Brandmelder in den betroffenen Räumen vorübergehend »stumm« geschaltet werden. Wenn es die Firma versäume, die Verwaltung zu informieren, müsse der Betrieb im Fall eines Fehlalarms auch die Rechnung zahlen. Die direkte Verbindung zum Stützpunkt bezeichnet Keller als unerlässlich: »Die Feuerwehr ist meistens schon da, bevor wir nachschauen können.«

Dass Rauchmelder Leben retten können, ist unbestritten. Der Stützpunktleiter der Feuerwehr empfiehlt allerdings nicht, Privathäuser mit Brandmeldern mit direktem Draht zur Feuerwehr auszurüsten. Die Geräte seien allerdings dazu geeignet, die Bewohner eines Gebäudes rechtzeitig vor drohender Gefahr zu warnen. Seit 2005 gehören Brandmelder in Hessen zur Pflichtausstattung von Neubauten. Ältere Häuser müssen mit diesen batteriebetriebenen Geräten, die auf Rauch ansprechen, bis Ende 2014 nachgerüstet werden.

Quelle: © Wetterauer Zeitung 2010-online vom 23.01.2010 - www.wetterauer-zeitung.de