13.08.2015 – Fast ein halbes Jahrhundert lang war die Leitstelle des Wetteraukreises sein »zweites Wohnzimmer«. Jetzt ist Carl Cellarius ausgezogen. Nach 43 Jahren im Rettungsdienst geht »Flatter«, so sein Spitzname, in den Ruhestand.

Wer in der Leitstelle im siebten Obergeschoss des Kreishauses am Friedberger Europaplatz arbeitet, hat meistens nicht nur einen Job. Fast alle Kollegen sind »nebenbei« auch aktive Feuerwehrmänner und Rettungsassistenten. Auch Carl Cellarius hat mehrere Talente. Der groß gewachsene Mann trägt seinen lateinischen Namen nicht zu Unrecht. Der Cellarius (Kellerer) hatte früher die Aufsicht über den Weinberg und den Weinkeller. Tatsächlich betrieb Familie Cellarius bis in die 70er Jahre eine Weinkellerei in Schotten. »Schon als Bub habe ich da mitgearbeitet«, sagt »Flatter«. Der Spitzname hat weniger mit seinem Lebenswandel als mit seiner Leibspeise zu tun: dem Flattermann (Brathähnchen).

Schlosser, Skilangläufer, Sanitäter

Dass der begnadete Skilangläufer einmal eine Berufskarriere im Rettungsdienst machen würde, hätte man dem Schottener Bub nicht vorausgesagt. Der absolvierte zunächst eine Lehre als Schlosser. »Das hat mich aber nicht wirklich befriedigt«, erzählt Cellarius. Und so drückte er wieder die Schulbank, holte die Fachhochschulreife nach und begann 1972 seinen Zivildienst beim Roten Kreuz. Dort blieb Cellarius zunächst als Transportsanitäter und später als Rettungsassistent. Parallel war er beim DRK in der Leitstelle eingesetzt. Als diese 1992 kommunalisiert wurde, trat »Flatter« in die Dienste des Wetteraukreises. Noch bis 2007 arbeitete er nebenamtlich als Rettungsassistent. Auch war Cellarius fast 25 Jahre bei der Feuerwehr Friedberg als Gruppenführer tätig und bei Tausenden Einsätzen dabei. Acht Bandscheibenvorfälle und vier Operationen haben dieser Karriere allerdings ein Ende bereitet.

»Menschen zu helfen, hat mir viel Freude bereitet und ist ungeheuer befriedigend. Ich habe mein Hobby als Beruf ausüben können. Dafür bin ich dankbar«, sagte Cellarius bei seiner Verabschiedung. 450 000 Menschen hat er Hilfe zukommen lassen, wie es seine 43-jährige Berufskarriere statistisch erfasst.

Die Arbeit in der Leitstelle sei sehr verantwortungsvoll. Immer wieder müsse neu entschieden werden, welche Mittel eingesetzt werden. »Wenn jemand auf der Straße stürzt und sich eine blutende Kopfwunde zuzieht, benötigt er keinen Notarzt. Wer aber über Brustschmerzen klagt, mit Ausstrahlung in den Arm, der zeigt Symptome eines Herzinfarktes. Da heißt es schnell handeln.«

Besonders schwierig ist es in solchen Situationen, die Anrufer zu beruhigen, um die genauen Symptome zu erkennen. Da war der 1,90 Meter große Cellarius aber der richtige Mann: Seine ruhige Art übertrug sich schnell auf die Gesprächspartner.

17 Babys auf der Fahrt zur Klinik

Das dramatischste Erlebnis in seinem Berufsleben war sicher der Großbrand in Bad Nauheim, bei dem 14 Menschen zu Tode kamen. Als Fahrer eines Rettungstransportwagens fuhr er einen Schwerverletzten ins Hochwaldkrankenhaus. Traurig ist auch die Erinnerung an das Jahrhunderthochwasser 1981 in Bruchenbrücken, wo Cellarius – leider ohne Erfolg – einen Feuerwehrkollegen reanimierte. Zu den schönen Erlebnissen gehörten die 17 Kinder, die auf der Fahrt zur Klinik im Krankenwagen zur Welt kamen.

Landrat Joachim Arnold und der Vorsitzende des Personalrats in der Kreisverwaltung, Erwin Jahn, haben Cellarius nun verabschiedet. Er sei ein beliebter Kollege gewesen, der viel für das Betriebsklima in der Leitstelle getan habe, lobte Arnold. Mit ihm verlasse eine Institution den Wetteraukreis.

Personalratsvorsitzender Jahn kennt Cellarius bereits seit Mitte der 80er. »Er ist das Urgestein der Leitstelle. Seine umgängliche Art, sein stets soziales Engagement wird dem Wetteraukreis fehlen.«

Langeweile wird »Flatter« im Ruhestand sicherlich nicht haben: Sowohl in der Feuerwehr (Cellarius ist hier Archivar) als auch in der Politik erwarten den Friedberger Grünen-Stadtverordneten noch viele Aufgaben.

 

20150813 Verabschiedung Carl Cellarius
Carl Cellarius mit Landrat Joachim Arnold (l.) und dem Personalratsvor-
sitzenden Erwin Jahn (r.).

 

Quelle: Wetterauer Zeitung online vom 13.08.2015