10.02.2021 - Präventive Maßnahmen trotz historisch höchstem Wasserstand zeigen Erfolg - Blick in die Geschichte: "Höchst ohne Hochwasser gibt es nicht"

Höchst/Nidder - Wie nahezu in jedem Jahr war auch die Freiwillige Feuerwehr Höchst/Nidder in den letzten zwei Wochen mit dem Hochwasser beschäftigt. Eine Besonderheit in 2021 war jedoch vor allem die Schnelligkeit mit der der Wasserpegel vor allem am Sonntag, 31. Januar anstieg.

Die erste Alarmierung erfolgte im Zusammenhang mit dem Hochwasser jedoch bereits am Tag davor in der Mittagszeit. Nachdem die durch Schneeschmelze im Vogelsberg und den lang anhaltenden Regen vorhandenen Wassermassen sowohl den Seemenbach, als auch die Nidder stark anstiegen ließen war zu erkennen, dass die dadurch ausgelöste Hochwasser-Welle auch zeitnah Höchst erreichen würde. Die Nidder fließt dort direkt am Ortsrand entlang und die zahlreichen Nidder-Auen sind als Überschwemmungsgebiet vorgesehen.

Mit der Alarmierung wurde sowohl durch einen Gruppenführer der FF Höchst die technische Einsatzleitung im Feuerwehrhaus Altenstadt ergänzt, als auch die ersten präventiven Maßnahmen gestartet. Direkt an der Nidder liegend befindet sich beispielsweise die örtliche Gymnastikhalle mit tief liegendem Technikraum. Die dazugehörigen Eingangsbereiche wurden mit Planen und Sandsäcken geschützt. In Abstimmung mit dem zuständigen Hausmeister erfolgte auch eine temporäre Abschaltung der dortigen Hebeanlage.

Die Wassermaßen standen einige Tage zwischen Nidder und Ortsrand direkt an den Häusern.

 

In der technischen Einsatzleitung wurden parallel Straßen und Adressen abgestimmt, die zum wahrscheinlich gefährdetsten Bereich gehören sollten. Für die Bewohner der dortigen Häuser wurde seitens der Gemeinde ein Informationsblatt zur Verfügung gestellt, dass u.a. auf ein extra eingerichtetes Bürgertelefon hinwies, aberauch die Möglichkeit der Abholung von Sandsäcken am Feuerwehrhaus anbot.

 

 

Über mehrere Tage informierte die FF Höchst/Nidder Ihre Mitbürgerinnen und Mitbürger per Facebook und Instagram zur aktuellen Lage.

Ab diesem Zeitpunkt stellte sich heraus, dass zur Information und Kommunikation mit den Bürgern in der Zwischenzeit ein ganz neues Medium wichtig ist: Die Benachrichtigung in den sozialen Netzwerken. In diesem Fall vor allem über die Facebook-Gruppe der Feuerwehr Höchst. Ab Samstagabend hielt man auf diesem Wege die Bevölkerung mit regelmäßigen Updates oder auch geteilten Inhalten, beispielsweise des Wetteraukreises, auf dem Laufenden und beantwortete eingehende Fragen.

So erfuhr jeder sehr schnell von der Möglichkeit sich am Feuerwehrhaus, welches die gesamte Nacht mit zwei Kameradinnen und Kameraden besetzt war, mit Sandsäcken endecken zu können.

 

 

 

Innerhalb einer Stunde war der Sportplatz in Höchst überflutet und das Wasser floß weiter in die Überschwemmungsflächen.

Am Samstag selbst hielt sich der Pegelanstieg der Nidder und dementsprechend auch in den Nidder-Auen in Grenzen. Die vor allem durch die gezielte Öffnung des Rückhaltebeckens in Düdelsheim zufließenden Wassermassen änderten die Situation in der Nacht zu Sonntag jedoch deutlich. So reichte das Wasser am nächsten Morgen rechtsseitig der Nidder bereits über die Nidder-Auen hinweg bis an die Bebauung am Ortsrand. "Am dem frühen Sonntag morgen konnten wir dem Pegelanstieg minütlich zusehen", so Wehrführer Jürgen Seitz. "Innerhalb von gut einer Stunde waren die Nidder-Auen linksseitig überflütet. Das führte wenige Minuten später dazu, dass die Kreisstraße K232 von Höchst in Richtung Waldsiedlung überspült und damit kaum befahrbar war." So erfolgte umgehend deren Sperrung.

 

Rechtzeitig vor Ankunft des Wassers kann das Clubhaus geschützt werden.

"Dann dauerte es wieder nur eine Stunde und auch der angrenzende Sportplatz war komplett überflutet. So schnell haben wir einen Pegelanstieg in Höchst noch nie erlebt", skizziert Seitz die Entwicklung allein vom Sonntag vormittag. Über den Sportplatz hinweg floß das Wasser dann weiter in die dafür vorgesehen Überflutungsflächen. Aber auch auf Grund der Schnelligkeit Richtung Gymnastikhalle und Vereinsheim des ansässigen Fußballclubs VfB Höchst/Nidder. Zu dieser Zeit war der stellv. Wehrführer Carsten Reul vor Ort: "Das wir hier einmal Sandsäcke wie in einem Wall über das Vereinsheim legen möchten hätte ich nie gedacht. Das war definitiv das erste Mal der Fall."

 

 

 

Den gesamten Sonntag wurde ununterbrochen die Entwicklung an mehreren Punkten rund um Höchst durch die Wehrführung kontrolliert und die Information gegenüber der Bevölkerung im Zwei-Stunden-Takt per Facebook und Instagram durch ein unterstützendes Mitglied der Einsatzabteilung fortgesetzt. Da zu diesem Zeitpunkt die Hochwasser-Lage in Höchst als „kritischer Punkt der Wetterau“ angesehen wurde erfolgte unter anderem auch eine Bewertung der Lage vor Ort mit Kreisbrandinspektor Lars Henrich, sowie einigen Kreisbrandmeistern.

Im Laufe des Nachmittages wurde dann nochmals die gesamte Einsatzabteilung alarmiert um die Feuerwehr Oberau bei weiteren Präventivmaßnahmen zu unterstützen.

Gegen Sonntagabend stagnierte der Anstieg des Wasserpegels und trotz weiterem Niederschlag begann am Montag bereits wieder eine Entspannung durch einen leichten Rückgang der Wassermassen. Die für Höchst wichtigen Pegelstände in Glauberg, aber auch am Rückhaltebecken Düdelsheim wurden auch in den Folgetagen regelmäßig online beobachtet. Außerdem erfolgten bis zur Mitte der Woche noch Kontrollen der in Höchst entscheidenden Punkte und Information der Bürgerinnen und Bürger. Hierzu wurde neben den sozialen Medien unter anderem auch wieder ein Informationsblatt der Gemeinde verteilt.

Spricht man nun im Nachgang zur diesjährigen Hochwasserlage, die sicherlich noch nicht komplett abgeschlossen ist, mit langjährigen Höchster Einwohnern ist es schon erstaunlich zu erfahren, dass die Schnelligkeit des ankommenden Hochwassers und die diesjährigen Wassermassen in den letzten Jahrzehnten so nicht wahrgenommen wurden. Dabei sind sicherlich die präventiven Maßnahmen, aber wahrscheinlich etwas Glück hervorzuheben, dass es auf der anderen Seite in Höchst in diesem Jahr zu keinen Schäden kam.

Neun Seiten über das Hochwasser in der Festschrift zum Jubiläum 750 Jahre Höchst/Nidder.Dabei hat das Hochwasser in Höchst durch die vorhandenen Überschwemmungsflächen schon andere Situationen hervorgerufen. Über neun Seiten wird beispielsweise in der Festschrift zum 750-jährigen Dorfjubiläum von Höchst über das Hochwasser und dessen Geschichte berichtet.

Im Jahr 1405 hinderte es den damaligen Kaiser die in Höchst ansässigen Raubritter bei einer Strafaktion zu erreichen und diese durchzusetzen. 300 Jahre später war es Schuld daran, dass zahlreiche Schweine in einen Nachbarort getrieben werden mussten, um dort sicher, trocken, aber auch teuer bezahlt Unterschlupf zu erhalten. Damals noch gegen teures Geld. Der auch immer wieder beschriebene Bootsbetrieb über die heutige Kreisstraße ist auf Grund deren höheren Neubau inzwischen nicht mehr notwendig. Bis in das 19. Jahrhundert hinein findet dieser Erwähnung in den Geschichtsbüchern von Höchst – vor allem da Brücken und Stege Jahr für Jahr durch das Hochwasser zerstört wurden. Ganz zu schweigen von landwirtschaftlichen Schäden an den Wiesen selbst oder durch Eindringen in Keller, die als Lagerfläche der Ernte dienten. Mit geplanten oder in Teilen auch umgesetzten neuen Gräben, Dämmen und Begradigungen versuchte man die Situation vor allem für die Einwohner immer wieder zu verbessern. All diese Maßnahmen scheinen jedoch auf Dauer nicht zu helfen.

 

Mehrfach berichtete 1998 der Kreis-Anzeiger über das Hochwasser in Höchst/Nidder.

Und wenn dann noch wie 1998 gleichzeitig die zweite Zufahrt nach Höchst auf Grund von Brückenneubau gesperrt ist wird der rund 1.300-Einwohner zählende Ort schnell zur Insel. Damals setzte die Feuerwehr Höchst übrigens erstmals den sogenannten QuickDamm ein, der heute im Katastrophenschutzlager Wetzlar abgerufen werden kann. Vor gut zwanzig Jahren erfolgte der Aufbau gemeinsam mit der Berufsfeuerwehr Frankfurt/Main, die ihn zu diesem Zeitpunkt noch testete.

 

 

 

Schaut man sich also Historie, aber auch die diesjährige Hochwasserlage an so stellt man fest, dass der bereits in der 750-Jahr-Chronik von Höchst zu diesem Thema gefasste Schlusssatz immer wieder zutrifft: „Höchst ohne Hochwasser scheint von der Natur nicht vorgesehen.“ Diese Besonderheit hat inzwischen auch international Gehör gefunden. So berichteten vor einigen Tagen sogar „Wallstreet Journal“ und die „New York Times“ über die Überschwemmungen der Nidder.

2021 berichtet auch das Wall Street Journal und die New York Times über das Hochwasser an der Nidder - hier in Nidderau/Eichen.

 

Text: Dominik Keßler, FF Höchst/Nidder
Bilder: Dominik Keßler und Jürgen Seitz, FF Höchst/Nidder, sowie Gerhard Hopps (Drohnen-Aufnahmen)