19.04.08 - Reichelsheim (kai) - Johanniter-Unfallhelfer und Feuerwehrleute üben gemeinsam

»Bei der Übung wird alles so gemacht wie im Ernstfall: Vene suchen, Zugang legen, aber nicht einstechen«, ruft Jörg Focke den Rettern der Johanniter-Unfallhilfe zu. »Messt den Blutdruck und einer von uns sagt den fiktiven, zur Übung passenden Blutdruck an.« Rene Pistor, Ausbildungsleiter der Johanniter ergänzt: »Wenn sich jemand verletzt, es ihm schlecht geht, soll er "Realfall" rufen, dann wird abgebrochen.« Regeln braucht jede Übung. Mehr als 40 Helfer von Johanniter und Feuerwehrleute aller Reichelsneimer Stadtteilwehren üben in Weckesheim, wie sie Zeit bei der Rettung mehrfach schwerverletzter Menschen bei einem Unfall sparen können. »Ziel ist es, den Verletzten innerhalb der "Golden hour of Trauma" zu retten«, erklärt Reichelsheims Wehrführer Alexander Hitz, der mit seinem Blofelder Kollegen Stefan Schiavulli die Übung plante. »Zehn Minuten vergehen bis zur Alarmierung, 20 Minuten braucht der Abtransport, zehn Minuten sind nötig, um den Patienten im Krankenhaus zu übergeben«, zählt Hitz auf. Bleiben den Rettungskräften am Unfallort noch 20 Minuten. Je länger der Verletzte am Unfallort bleibt, desto größer werden die Folgeschäden und der Schock. Also heißt es für die Feuerwehren, möglichst gut mit den Rettungssanitätern und Ärzten zusammenzuarbeiten.

Gegenseitig informieren sich Feuerwehrleute und Retter, was für ihre Arbeit am Unfallort wichtig ist. Drei Unfallszenarien haben Feuerwehr und Johanniter ausgetüftelt, immer sitzen Menschen am Steuer, die möglichst realistisch den Verletzten spielen. Alles ist besprochen. Es kann losgehen.

Wegen des Dauerregens wird der erste »Unfallort« in die Feldscheune von Stadtbrandinspektor Michael Paulencu verlegt. Zwischen Landmaschinen ist eine Gasse frei geräumt für ein Auto. In das klettert Tobias Funck. Sein Gesicht ist weiß geschminkt. Rote Flüssigkeit rinnt über seinen Arm und den Kopf. Focke erklärt ihm sein Zustand: »Du hast schwere Kopfverletzungen, einen offenen Unterarmbruch und Serienbrüche der Rippen.«

»Rettung ist immer Teamarbeit«
Feuerwehrleute und Johanniter, die erst in späteren Übungsszenen ihren Einsatz haben, schauen sich an, wie Funck vorbereitet wird. »Ich möchte nicht mit ihm tauschen«, sagt Christiane Vetter. »Der Einsatz von unseren Geräten hört sich grausam an, wenn es knackt und bricht«, meint die 19-Jährige. »Ich hoffe, ich komme nie in die Situation einen so schweren Unfall zu haben.« Froh ist sie, nun mehr über die medizinischen Abläufe bei einem Unfall zu wissen. »Hoffentlich fällt mir im Ernstfall alles ein, was zu tun ist«, sagt sie.

»Wir kennen jetzt die Abläufe besser, wissen, was die Johanniter bei einem Unfall erledigen müssen«, lobt Nils Kroll. »Eine Rettung ist immer Teamarbeit. Durch das heutige Training können Feuerwehren und Rettungsdienst ihre Zusammenarbeit verbessern. Davon profitieren die Patienten, ihre Überlebenschancen steigen.« Wenig später schrillt das Martinshorn. Notarzt und Rettungssanitäter sind die ersten beim Schwerverletzten. »Wo bin ich?«, jammert der. Der Notarzt spricht ruhig mit ihm, gibt erste Anweisungen, was zu tun ist. Genau schauen die Beobachter, wie die Retter mit dem Opfer umgehen, machen sich Notizen. Nun kommen auch die Feuerwehrleute hinzu. Der Einsatzleiter der Wehr geht zu den Helfern, fragt, was zu tun ist. Sie wollen den Patienten schnell aus dem Wagen holen, die Tür muss herausgeschnitten werden. Die Feuerwehrleute räumen Geräte aus, legen sie auf eine Plane. Sie stützen das Auto ab, schneiden mit der Rettungsschere die Tür aus dem Auto.

Auch bei ihnen beobachten andere Feuerwehrleute genau, wie sie vorgehen. Der Arzt und die Rettungssanitäter behandeln derweil den Mehrfachverletzten weiter. Legen Infusionen an, sprechen mit ihm, hüllen ihn in eine Decke. Kurze Zeit später liegt er auf der Trage und kann in den Rettungswagen geschoben werden. »Übungsabbruch«, ruft Focke.

Wichtig: Besprechungen danach
Nun wird besprochen, was die Beobachter bei der Übung notiert haben. »Einsatzleiter, zieh bitte die Weste mit dem Aufdruck über«, bittet Hitz. Diese Westen sind neu, erleichtern die Kommunikation am Unfallort. »Wir haben zwar unsere Zeichen an der Kleidung, die Rettungssanitäter kennen sie aber nicht. Dem Wehrführer ist aufgefallen, dass die Feuerwehrleute die Plane zur Geräteablage zu spät herausgeräumt haben. »Die Planen sind nützlich: Wir wissen immer, wohin mit unseren Geräten und ist der Unfall auf Morast, schützt das die Hydraulik in den Geräten vor Schmutz.«

Stadtbrandinspektor Michael Paulencu ist zufrieden mit den drei Übungsszenarien: »Die erste war gut, die zweite hat noch besser geklappt und die dritte war perfekt.« Wichtig seien die Besprechungen nach dem Übungseinsatz. »Die Kritik wurde angenommen,und die Helfer wurden immer besser«, bilanziert er.


Übungsszenario
Übungsszene: Zwei Autos sind zusammengestoßen, in jedem sitzen Menschen mit mehrfachen Verletzungen - die Ärzte nennen das Polytrauma - eingeklemmt. Rettungsdienst und Feuerwehren arbeiten zusammen, um die Patienten möglichst schnell aus den Wracks zu befreien.

Übungsszenario
Geschafft: Das Dach entfernt. Die Patientin kann herausgehoben werden. Beobachter notieren, wie Johanniter und Feuerwehrleute ihre Aufgaben meistern.

Quelle: Wetterauer Zeitung vom 23.04.2008
Bilder: Alexander Hitz, Wf FF Reichelsheim