06.08.2011 - Reichelsheim - Frust und Lust liegen bei einer Feuerwehrübung nahe beieinander. Dies spürten am vergangenen Samstag rund 100 Helfer der Reichelsheimer Feuerwehren und des Roten Kreuzes.

Da war der Feuerwehrmann, der zu Hause schnell alles stehen und liegen ließ, um bei der Feuerwehr anzupacken – und dann mit seinem Trupp von einer Einsatzstelle zur nächsten gelotst wurde und kaum etwas helfen konnte. Da waren Funkspezialist Holger Strebert und der stellvertretende Stadtbrandinspektor Bernd Philippi, die keine Zeit hatten, auch nur eine Frage zu beantworten. Sie, die technische Einsatzleitung, wurden förmlich mit Einsatzfaxen bombardiert und dirigierten ihre Leute per Funk zu 27 unterschiedlichen Übungsstellen. Da gab’s die Zuschauer, die wissen wollten, wo es was zu sehen gibt, um die Helfer zu beobachten, doch ehe sie sich irgendwo postiert hatten, rückten die Feuerwehrleute schon wieder mit Tatütata ab. Da waren Alexander Hitz und Ingo Fechtner, die aus dem Reichelsheimer Feuerwehrhaus einen Alarm nach dem nächsten losschickten. Entgegen den Gemeinschaftsübungen aus den vergangenen Jahren wusste außer den beiden niemand etwas über den Ablauf der diesjährigen Großübung aller Reichelsheimer Wehren. „Wir haben eine Unwetterlage“, waren die ersten Erkenntnisse, die sich kurz nach der Alarmierung für die Helfer herauskristallisierte. Los ging’s am Bergwerksee mit einem vermissten Surfer, fast alle Stadtteilwehren rückten zur Suche aus. Peu á peu kamen weitere Einsatzstellen hinzu: Ein umgefallener Baum in der Straße am „Haingraben“. Heruntergefallene Dachziegel an der Haspelgasse. Vollgelaufene Keller. Die Übungsorganisatoren hatten Wasserbecken in die Gärten gestellt, die die Kameraden auspumpen mussten. Dann ein vermeintlich größerer Einsatz: Blitzeinschlag am Raiffeisengelände. Endlich das bekannte Bild: Schläuche ausrollen. Wasser-Marsch-Kommando. Im Nu, noch ehe die weitere Helfer mit anpacken konnten, hieß es: Brand gelöscht. Die Feuerwehrleute verstauen die Gerätschaften, melden sich bei der Technischen Einsatzleitung und warten auf das nächste Szenario. „So richtig was geschafft haben wir noch nicht, wir sind nur rumgefahren“, sagt ein Feuerwehrmann. „So ein Szenario zu üben ist ein absoluter Schwachsinn“, schimpft ein anderer. Gejammert wird nicht, rein ins  Feuerwehrauto und weiter: Ein Unfall, im Feld auf dem Weg von Reichelsheim nach Leidhecken. Hand in Hand arbeiten die Feuerwehrleute hier mit den DRK-Helfern zusammen, um zwei eingeklemmte Personen aus dem Auto zu retten. Daneben steht der dreijährige Luca, der von seinem Papa wissen will, was mit der Mama los ist, die er doch eben noch in dem Auto gesehen hat. „Die Mama tut so, als ob sie verletzt wäre“, erklärt der Vater. „Was machen die Feuerwehrleute, tut das der Mama weh“, will der Kleine wissen. Ein paar Gummibärchen und eine Weile später kann er wieder mit seiner Mutter kuscheln. „Wir wussten nicht, was bei der heutigen Übung auf uns zukommt“, sagt DRK-Mann Harald Brendl. „Bei einer Unwetterlage gibt es nicht so viele Verletzte“, sagt er. „Heute wird probiert, ob die technische Einsatzleitung funktioniert, das ist auch wichtig“, sagt der Helfer. Und noch etwas funktioniert: Der neue Rettungssatz für Verkehrsunfälle. Ein Gerät, an dem Spreitzer und Schere gleichzeitig angeschlossen werden kann, bei Bedarf auch zwei Scheren. Dies testeten die Feuerwehrleute beim simulierten Unfall im Feld. Derweil schufteten die Kameraden irgendwo im Stadtgebiet in Heuchelheim und Weckesheim galt es angenommene Unwetterschäden zu beseitigen. Gelbe Zettel hefteten an Häusern, darauf Hinweise für die Feuerwehrleute. Mal war zu lesen, was noch zu tun ist, welche Nummer sie über Funk kommunizieren sollten, mal stand darauf, dass sich die Hausbewohner selbst halfen. Alles erinnerte die Helfer an den 30. Mai vor drei Jahren. „Da gingen binnen kürzester Zeit 70 Faxe von der Leitstelle bei uns ein, wir mussten Prioritäten setzen“, erzählt Hitz. „Als Folge dieses Großeinsatzes wurde beschlossen in jeder Kommune eine Technische Einsatzleitung zu bilden, die alle Helfer koordiniert“, erklärt er. Diese wurde am Samstagnachmittag dem ersten Test unterzogen. Bis auf einen Defekt im Funkgerät habe alles geklappt, erklärt Holger Strebert. „Das war heute eher in Richtung einer Stabsübung, es ging darum die Einsatzkräfte optimal zu koordinieren“, sagt Philippi. Die Helfer nach Dringlichkeit zu den Einsatzstellen schicken, eben ähnlich wie im Mai vor drei Jahren. Mit diesem Übungsszenario hätten die Feuerwehrleute nicht gerechnet, sie seien angetreten, um etwas zu schaffen. Klar, könne es da passieren, dass sich Frust einstellt. „Vielleicht wäre es besser gewesen die Helfer vorher über den Inhalt der Übung zu informieren, dann hätten sie sich drauf einstellen können“, regt der stellvertretende Stadtbrandinspektor an.


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Die Technische Einsatzleitung stand im Mittelpunkt der Großübung der Reichelsheimer Feuer-
wehren und des Roten Kreuzes, Funkfachmann Holger Strebert (links) und der stellvertretende
Stadtbrandinspektor Bernd Philippi hatten am Samstagnachmittag 27 Einsatzstellen per Funk
zu koordinieren.


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Hand in Hand arbeiteten Feuerwehrleute und DRK-Helfer beim simulierten Autounfall auf
dem Weg von Leidhecken nach Reichelsheim zusammen.


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Ingo Fechtner (links) und Alexander Hitz planten die diesjährige Gemeinschaftsübung der
Reichelsheimer Feuerwehren, zu 27 der angenommenen und vorbereiteten Einsätze rückten
ihre Kameraden aus.

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Einer der ersten Einsätze während der fingierten Unwetterlage war das Entfernen eines
umgestürzten Baumes an der Straße „Am Haingraben“. Binnen kürzester Zeit hatten die Helfer
der Dorn-Assenheimer Wehr diese Aufgabe erledigt.

 

Text und Bilder: Ines Dauernheim, freie Journalistin