14.07.2013 – Zwölf Wochen Vorbereitung und Geheimhaltung lagen vor einer realistischen Übung

Niddatal (von Jürgen W. Niehoff) – Eine von den Führungskräften der Feuerwehr Niddatal ausgetüftelte Alarmübung für die eigenen Einsatzkräfte sowie für mehrere Sanitäter aus den umliegenden Gemeinden ließ die gesperrte L 3188 zu einem Unfallschwerpunkt werden. Die Einsatzkräfte hatten alle Hände voll zu tun.

Bei einem riskanten Überholmanöver im Kurvenbereich kommt es zu einem Beinahe-Zusammenstoß zwischen zwei Autos. Beide Fahrer verlieren die Kontrolle und kommen von der Straße ab. Das eine Fahrzeug, besetzt mit einem Fahrer, überschlägt sich mehrfach und landet kopfüber im Straßengraben. In ihm sitzt angeschnallt und kopfüber ein bewusstloser Mann.

Das andere Fahrzeug, ein Kombi mit vier Personen, rutscht dagegen nur in den Graben und bleibt dort allerdings schwer beschädigt und halb auf der Beifahrerseite liegend zum Stehen. Am Steuer des Kombis sitzt eine Frau mittleren Alters mit einer offenen Unterschenkelfraktur und einer größeren Platzwunde am Kopf. Außerdem sitzen in dem Fahrzeug noch drei Jugendliche mit kleineren, aber nicht lebensgefährlichen Verletzungen.

Erschwerte Bedingungen
So das Szenario der vierköpfigen Feuerwehrführung, die die Übung in den vergangenen zwölf Wochen zwar haargenau geplant und mit den örtlichen Behörden abgestimmt hatte, die aber diese Übung vor ihren Einsatzkräften geheim hielt. Geprobt werden sollte mit dieser Übung das Einleiten und Umsetzen aller erforderlichen Maßnahmen wie erste Sichtung der Unfallstelle, Menschenrettung, Erste Hilfe bis hin zum Eintreffen der Rettungsdienste.

Geprobt werden sollte weiterhin die technische Hilfeleistung bei einem Verkehrsunfall unter erschwerten Bedingungen. In diesem Falle sollten die Hydraulikwerkzeuge, mit denen man schnell ein Fahrzeug in Einzelteile zerlegen kann, erst später am Unfallort eintreffen.

Das war leicht zu organisieren, weil die vier Ortsfeuerwehren Niddatals unterschiedlich ausgerüstet sind und sich im Ernstfall immer ergänzen müssen. Aus diesem Grunde wurden die beiden Wehren aus Assenheim und Kaichen erst zeitversetzt zum Einsatzort gerufen.

Pünktlich, wie im Zeitplan vorgesehen, gab Stadtbrandinspektor Bernd Reiter um 19.20 Uhr das Alarmsignal. Gleichzeitig ertönten die Funkmelder bei den Einsatzkräften in Bönstadt und Ilbenstadt. Zusätzlich wurden auch die Alarmsirenen auf den Dächern in Betrieb genommen. „Das machen wir ansonsten nur bei größeren Einsätzen, um sicher zu gehen, dass auch alle Einsatzkräfte den Alarm hören“, erklärte anschließend der Stadtbrandinspektor.

Alarmiert worden sei dieses Mal auch mit dem ausdrücklichen Hinweis, dass es sich um eine Übung handele, „damit sich die Einsatzkräfte auf dem Weg zum Feuerwehrhaus nicht unnötig in Gefahr bringen“, so Reiter entschuldigend. Aber die Entschuldigung war nicht nötig, denn fast auf die Sekunde traf zehn Minuten nach Alarmgeben das erste Löschfahrzeug aus Bönstadt ein. Nur wenige Augenblicke später ertönte auch das Martinshorn aus Richtung Ilbenstadt.

Harte und sanfte Methode
Am Anfang gab es noch einiges Gerenne der Einsatzkräfte zwischen den beiden Unfallfahrzeugen. Als dann aber die Aufgaben aufgeteilt waren, ging es dann Ruckzuck. Die Einsatzkräfte aus Bönstadt, die sich um das auf dem Dach liegende und im Straßengraben eingeklemmte Fahrzeug mit der einen Person an Bord kümmerten, entschieden sich nach kurzer Beratung für die sogenannte Crash-Methode. Dabei kommt es auf Schnelligkeit an, wobei der Fahrzeuginsasse dadurch noch einmal leicht eine weitere Verletzung erhalten kann. „Diese Methode wird angewandt, wenn alle anderen Rettungsversuche entweder wesentlich länger dauern würden oder sogar überhaupt keine Aussicht auf Erfolg hätten“, erklärte Reiter bei der anschließenden Besprechung. Deshalb Lob für diese Entscheidung.

Bei dem anderen Fahrzeug mit den vier Personen an Bord, die theatralisch die ganze Zeit über lautstark um Hilfe riefen, entschied man sich für die sanfte, aber auch zeitaufwendigere Methode. Hier wurden zunächst die Fensterscheiben gewaltsam entfernt und dann mit den üblichen Bordwerkzeugen versucht, die Türen aufzubrechen. Trotz aller Anstrengungen wollte dies nicht so recht gelingen. Erst nach Eintreffen der beiden anderen Wehren aus Assenheim und Kaichen mit ihren Gerätewagen und dem Hydraulikwerkzeug an Bord war dies kein Problem mehr. Die Türen waren schnell herausgetrennt, und als der Notarzt die Rettung der Verletzten im Unfallfahrzeug mit einer Bahre anordnete, wurde auch noch die Mittelsäule herausgeschnitten.

46 Einsatzkräfte aus ganz Niddatal mit neun Fahrzeugen waren an diesem Abend bei der Übung im Einsatz. Dazu kamen noch ein Notarzt sowie elf Rettungssanitäter mit sechs Fahrzeugen. Von dem Alarmgeben bis zur Bergung und Versorgung des letzten Unfallopfers waren exakt 43 Minuten vergangen.

Das sei eine sehr gute Zeit, lobte der Stadtbrandinspektor seine Einsatzkräfte. Aber er äußerte auch Kritik. So habe die Kommunikation noch nicht so geklappt, wie er sich das wünsche und wie es im Notfall erforderlich sei. Mit Absicht habe er nur als Beobachter dabeigestanden und nicht eingegriffen. „In diesem Fall müssen die Handlungen besser aufeinander abgestimmt werden“, lautete seine Kritik.

Und es gab noch einen Punkt: „Wer von euch hat sich um den Traktorfahrer gekümmert? Der hatte einen Schock und ist die ganze Zeit hier auf der Straße umhergeirrt?“ Betretenes Schweigen, denn den Traktor hatte jeder gesehen. Der stand ja mitten zwischen den Unfallfahrzeugen. Aber dass der in irgendeiner Weise in das Geschehen verwickelt sein könnte, daran hatte niemand gedacht.

„Beim nächsten Mal üben wir wieder mit Einsatzleiter. Dann sollte so etwas nicht mehr passieren“, beendete Reiter die Besprechung. Dann hieß es für die Einsatzkräfte allerdings noch Aufräumen, denn von dem vermeintlichen Unfall sollten keine Spuren übrig bleiben.

Quelle: Frankfurter Neue Presse online vom 13.07.2013

Fotos: Sabrina Reitz, KFV-Wetterau

 

Einige Bilder der Übung

Pressesprecher des KFV Robert Winkler mit den Vertretern der Presse
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