17.10.2008 - Reichelsheim - 90 Feuerwehrleute üben gemeinsam mit Rotem Kreuz

Rauchschwaden wabern aus den Fenstern. Im Keller des ehemaligen Gemeindehauses an der Pfählergasse in Beienheim leuchtet es rot. Von drinnen ertönen Schreie: "Hilfe, wir wollen heraus." Oben am Fenster stehen einige Jugendliche. "Ganz ruhig, wartet noch mal ab, die Retter kommen gleich", beruhigt Feuerwehrmann Dennis Philippi. Auf den ersten Blick sieht diese Übungsszene echt aus - wäre da nicht die menschengroße Puppe, die die jungen Leute im Fenster festhalten. "Bei Übungen ist es verboten Menschen in den Sprungretter springen zu lassen", erklärt Ralf van Bashuisen. Der stellvertretende Wehrführer der Beienheimer Feuerwehr ist an diesem Freitagabend einer der beiden Einsatzleiter. Gemeinsam mit Sebastian Dittmann koordiniert er, wo wer was zu tun hat. Das ist passiert: Während eines Unwetters schlug der Blitz ins Haus an der Pfählergasse 9 ein, es folgte eine Explosion, im Haus sind Menschen eingeschlossen. Wenige Minuten später kommt der nächste Einsatz hinzu: Am Karl-Kempf-Platz ist ein Baum auf ein fahrendes Auto gefallen, zwei Menschen sind schwerverletzt im Wagen eingeschlossen. Genug zu tun für die 90 Feuerwehrmänner und Frauen aus den sechs Stadtteilwehren.


Die Feuerwehren aus Beienheim, Reichelsheim, Weckesheim und Heuchelheim sind am Explosionsort im Einsatz. Im ehemaligen Laden an der Berliner Straße ist das Lazarett, hier zeigen die Helferinnen und Helfer des Roten Kreuzes ihr Können. "Brandverletzungen ersten und zweiten Grades", zählt Edwin Krückl auf. Mit angefeuchteten Tüchern decken die Rotkreuzler die täuschend echt geschminkten Wunden ab, reichen Decken, sprechen mit den "Verletzten". Derweil tasten sich im Haus die Feuerwehrleute von Zimmer zu Zimmer, neun Verletzte gilt es aus dem verqualmten Gebäude zu befreien. Während der fast einstündigen Übung sind zehn Atemschutztrupps im Haus unterwegs, per Funk halten sie Kontakt zu den beiden Einsatzleitern, die Arbeit verteilen. "Schickt den SKW zum Absichern an die Straße", bespricht van Bashuisen mit dem Reichelsheimer Wehrführer Alexander Hitz, als der die Ankunft seiner Leute am Einsatzort meldet. Und noch eine Aufgabe hat er für die Reichelsheimer: Sie sollen ihren Sprungretter aufbauen. Etwas hadern van Bashuisen und Dittmann mit den Stellplätzen für die Einsatzfahrzeuge, das hatten sie sich etwas anders vorgestellt. "Es gibt aber keine Engpässe, überall kommen die Feuerwehrleute gut dran." Schläuche werden ausgerollt. Erste Retter flitzen mit Tragen vorbei. Die Reichelsheimer Wehrleute pumpen in den orangefarbenen Sprungretter Luft. Mit vereinten Kräften schleppen sie das riesige Kissen vors Fenster. Einer ruft nach oben: "Jetzt springen." Schon fliegt die Puppe aus dem Fenster ins sichere Luftkissen. "Sobald jemand in den Sprungretter fällt, entweicht Luft, die sofort nachgefüllt wird", erklärt Stadtbrandinspektor Michael Paulencu. Er und sein Vertreter Bernd Philippi stehen an den Einsatzorten und beobachten die Handgriffe ihrer Kameraden. "Ein paar Fehler sind immer da, deshalb ist das regelmäßige Üben so wichtig", sagt Paulencu. Neben den Profis pendeln auch etliche Zuschauer unter ihnen Bürgermeister Gerd Wagner, sein Nachfolger Bertin Bischofsberger, Ordnungsamtsleiter Alfred Schiel und SPD-Fraktionschef Rainer Schauermann zwischen den Übungsorten hin und her.

Inzwischen sind die Wehren aus Blofeld und Dorn-Assenheim beim Unfall angekommen. Ihre Aufgabe: Betina Krückl und Denise Nossal aus dem zertrümmerten Auto herauszuholen, während die beiden von den Rotkreuz-Rettungskräften versorgt werden. "Eins, zwei, hoch, Männer weg", schallt ein lauter Ruf durch die blaulichterhellte Nacht. Mit vereinten Kräften heben die Feuerwehrleute den schweren Baumstumpf vom Autodach und lassen ihn sicher zu Boden plumpsen. "Alle Scheiben aus dem Auto raus, wir müssen das Dach abnehmen", gibt Abschnittsleiter Stefan Schiavulli das Kommando. Immer wieder stimmt er sich mit den Rotkreuz-Helfern ab, die sich um die "Schwerverletzte" Betina Krückl kümmern. Kaum ist sie in den Krankenwagen geschoben, ertönt über Funk: "Übung beenden." Van Bashuisen und Dittmann packen ihre Zettel und verlassen ihren Einsatzleitwagen. "Überall wurde sehr gut zusammengearbeitet, die Koordination untereinander klappte sehr gut", bilanziert van Bashuisen. Von ihm falle nun eine Last ab, gibt er zu. "Es ist doch klar, dass wir auch bei Übungen angespannt sind, aber immer mit Eifer und Spaß bei der Sache. Feuerwehr ist für uns mehr als ein Hobby." Lob gab es von Stadtbrandinspektor Paulencu: "Das Szenario am Haus mit dem Rauch war sehr realistisch dargestellt, das haben sich die Übungsplaner sehr gut ausgedacht."

Text und Bilder: Ines Dauernheim (Freie Journalistin)

Gemeinschaftsübung Beienheim
Unter den Augen der Zuschauer bauen die Reichelsheimer Feuerwehrleute den Sprungretter am Haus an der Pfählergasse auf. Schnell fliegt die Puppe, die im offenen Fenster saß hinein. Menschen dürfen bei Übungen nicht in den Sprungretter springen.

Gemeinschaftsübung Beienheim
Die Zusammenarbeit zwischen den Rettern ist am zweiten Übungsort gefragt: Während die Rot-Kreuz-Helfer die beiden Verletzten versorgen kümmern sich die Feuerwehrleute darum den Baum vom Auto zu entfernen und das Autodach abzutrennen, damit die eingeklemmten Verletzten gerettet werden können.

Gemeinschaftsübung Beienheim
Im ehemaligen Laden haben die Helfer vom Roten Kreuz ihr Domizil aufgebaut. Hier versorgen sie die täuschend echt geschminkten Brandwunden.