28.04.2013 - Gratwanderung zwischen Beruf und Ehrenamt

LFV1Baunatal - Der Landesfeuerwehrverband Hessen e.V. vertritt landesweit rund 75.000 aktive Einsatzkräfte, 500.000 fördernde Mitglieder und 27.000 Jugendliche in den Jugendfeuerwehren, die in 2.600 freiwilligen Feuerwehren, 57 Werkfeuerwehren, sowie sechs Berufsfeuerwehren mit 2.120 Jugendfeuerwehren und 500 Kinder Feuerwehrgruppen organisiert sind. Mit der Delegiertenversammlung ging am Samstag der mehrtägige Landesfeuerwehrtag zu Ende. Wichtigster Gast war dabei Hessens Innenminister Boris Rhein, der die Bedeutung der Feuerwehr hervorhob, indem er sie im Konzept der inneren Sicherheit und des inneren Friedens als deren wichtigsten Baustein – vor Polizei und anderen Diensten – nannte.

Medienschelte von Bürgermeister Manfred Schaub

LFV8Zuvor begrüßte Baunatal Bürgermeister Manfred Schaub die 200 Delegierten aus allen hessischen Landkreisen. Er ist selbst aktiver Feuerwehrmann gewesen und als Stadtoberhaupt gerade dabei, alle Feuerwehrhäuser der sieben Stadtteilfeuerwehren zu sanieren. Sechs davon sind bereits vollendet oder in Arbeit und für das siebte bekam er am Rande des Feuerwehrtages vom Innenminister „Grünes Licht“. Enttäuscht zeigte sich der Gastgeber von der medialen Präsenz bei dieser wichtigen Veranstaltung. Die Abwesenheit quasi aller Zeitungen verärgerte den Verwaltungschef. In Telefongesprächen sei er nur nach möglichen Problemen oder Streitthemen befragt worden. Das warf die Frage auf, ob Medien nur noch dann berichten, wenn es Probleme gibt und nicht mehr über so wichtige Themen, wie den landesweiten Brandschutz? Immerhin berichten der Treffpunkt Bauna und nh24 über den Verbandstag…

Diskussionsrunde am Vormittag – Delegiertenversammlung am Nachmittag

LFV4Nachdem am Vormittag Politiker und Verbandsvertreter bereits spannende Fragen diskutiert hatten, wurden in Gegenwart des Innenministers noch einmal die „brennenden“ Themen angesprochen. Dr. Ralf Ackermann, Präsident des Landesfeuerwehrverbandes Hessen, arbeitete sie in seiner Ansprache an die versammelten Feuerwehrleute ab. Das Zusammenspiel von Politik, Technik und Einsatzkräften sei wichtig. Die zehnminütige Einsatzfrist von der Alarmierung bis zum Eintreffen – anders als in Südeuropa – zu verteidigen, sei wichtig. Dabei wird dies in Deutschland überwiegend mit ehrenamtlichen, freiwilligen Feuerwehren erreicht, während im übrigen Europa Berufsfeuerwehren bzw. hauptamtliche Einsatzkräfte überwiegen. In dieser deutschen Sonderstellung innerhalb der EU sind viele aktuelle Probleme begründet. Zehn Jahre hat beispielsweise es gedauert, den Feuerwehrführerschein wieder dem alten Standard bis 7,5 Tonnen anzupassen. Er war im Wesentlichen nur in Deutschland und Österreich ein Thema.

EU Arbeitszeitverordnung verheißt gravierende Schwierigkeiten

Nun bedroht die EU Arbeitszeitverordnung die Einsatzbereitschaft der deutschen Feuerwehren. Wer 8 Stunden oder mehr gearbeitet hat, kann danach bald keine freiwilligen Leistungen mehr zusätzlich erbringen, denn die Mindestruhezeit von 11 Stunden muss dann eingehalten werden. Eine wöchentliche Höchstarbeitszeit wird außerdem eingeführt und dabei wird in der EU nicht nach Beruf und Ehrenamt unterschieden, schließlich sind Feuerwehrleute anderer Mitgliedstaaten mehrheitlich Arbeitnehmer und keine Freiwilligen. Und der zuständige EU-Kommissar ist bisher nicht bereit, auf Änderungswünsche einzugehen.

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Über 200 Delegierte waren in Baunatal versammelt © Foto: Rainer Sander

Diese in der Tat „brennende“ Frage ist aber nur ein wichtiger Punkt, der die aktuelle oder drohende Gesetzeslage betrifft. Auch das Thema gesetzliche Unfallversicherung wurde von Dr. Ackermann angesprochen: Häufig würden bei Unfällen während der Einsatzzeit Vorerkrankungen zu Leistungsausschluss führen. Dagegen kämpft der Verband.

Auch Ausschreibungen sind „modern“ geworden und aufgrund von EU-Richtlinien oder anderen Vorschriften Pflicht. Aber müssen auch Bildungsleistungen ausgeschrieben werden? Der Bund denkt gerade darüber nach, Unterrichtsleistungen per Ausschreibung zu vergeben. „Schuster bleib bei Deinen Leisten" sagte Dr. Ackermann dazu. Gerade sei in Hessen und Thüringen dazu ein Pilotprojekt zur Platzierung der Feuerwehr in der Schule erfolgreich durchgeführt worden.

Zwangsweise Zusammenlegung?

LFV2Die „Standardsorgen“ der Feuerwehr blieben nicht unerwähnt. Überalterte Fuhrparks (wer würde privat ein Fahrzeug Baujahr 1988 fahren?) und die Einführung des Digitalfunks gehören dazu. Aber auch Themen wie Kat-Warn (im Schwalm-Eder-Kreis bereits realisiert) als Landeslösung, SMS-Alarmierung oder die Bundes-Katastrophenschutz-Fahrzeuge LF20 standen auf Ackermanns Liste. In freundlichem Ton forderte er die Landespolitik genauso wie die Kommunalpolitik auf, angemessen auf Herausforderungen zu reagieren. Dazu gehören auch die Einsatzbereitschaften in demographisch schrumpfenden Ortsteilen. Die zwangsweise Zusammenlegung von Feuerwehren – teils auch aus wirtschaftlichen Gründen – sei nach wie vor weder akzeptabel, noch eine angemessene Problemlösung.

Ausbildung und Prävention

LFV5Die Modernisierung der Landesfeuerwehrschule in Kassel und der Ausbildungsstätte für Jugendfeuerwehren im Marburg-Cappel waren wichtige Themen. In beiden Fällen sicherte Innenminister Boris Rhein Lösungen zu. 6,2 Millionen Euro werden zur baulichen Modernisierung der Unterkünfte in der Landesfeuerwehrschule investiert, weitere 400.000 Euro in die Innenausstattung. Im September 2013 geht es los und ein Jahr später soll Einweihung gefeiert werden. Und auch für Cappel sicherte der Minister eine Lösung zu. Eine Auflösung sei jedenfalls überhaupt kein Thema.

Der Innenminister sagte den hessischen Feuerwehren danke für Ihre Arbeit und äußerte allergrößten Respekt dafür, dass Feuerwehrfrauen und -männer stets ihre Gesundheit riskierten. „Wo andere rausgehen, gehen sie rein!“ Das eine Feuerwehr dafür entsprechend ausgestattet sein müsste, war – so der Minister – bei allen Differenzen, am Ende jeder Diskussion niemals ein Thema. Bund, Land und Kommunen seien sich einig darin, dass in dieser Frage kein Streit sinnvoll ist.

Dass der Digitalfunk nun endlich kommt, sei dringend notwendig. Immerhin senden und empfangen nur noch Albanien und Deutschland analog. Und das sei der falsche Maßstab. Aber auch die flächendeckende Einführung von Brandmeldern sei immer noch ein wichtiges Thema. Ab 2014 gilt die Pflicht in allen Wohngebäuden. Nach aktuellen Zahlen scheint die tatsächliche Umsetzung aber noch weit entfernt.

Ehrungen

Thomas Hinz (Fulda) erhielt die LFV-Medaille aufgrund seiner langjährigen ehrenamtlichen Mitarbeit. Innenminister Boris Rhein ehrte außerdem Wolfgang Reinhardt, den Vizepräsidenten des Verbandes, mit der Silbernen Ehrennadel. (rs)

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Geehrt von Innenminister Boris Rhein: Vizepräsident Wolfgang Reinhardt und rechts Thomas Hinz mit Ralf Ackermann.

Quelle: nh24.de online vom 28.04.2013
Bilder: Rainer Sander, Baunatal